Lucy war zweifellos eine sehr selbstbewusste junge Frau. Und ihr Selbstbewusstsein speiste sich nicht etwa nur aus der Tatsache, dass sie mit einer außergewöhnlichen natürlichen Schönheit gesegnet war. Lucy, oder vielmehr Lucia Dahlgreen, so stand es jedenfalls in ihrem Pass, war das Ergebnis der kurzen, aber heftigen Liason ihrer Mutter Emma, einer höchst attraktiven schwedischen Flugbegleiterin mit einem Firstclass-Passagier, dem sehr elegant auftretenden italienischen Geschäftsmann Luca di Trocchio. Die nordische Schönheit war dem Charme ihres Fluggastes auf einem Flug von Stockholm nach Rom erlegen und hatte mit ihm drei sehr temperamentvolle Nächte in einem kleinen Hotel nicht weit vom Fontana di Trevi verbracht und im Gefühlsrausch nicht ganz konsequent auf die Verhütung geachtet.
Als sie drei Wochen später von ihrer Schwangerschaft erfuhr, war der ehrenwerte Signore di Trocchio nicht mehr aufzufinden gewesen. Die Kontaktdaten auf seiner edel geprägten Visitenkarte führten zur Adresse einer Anwaltskanzlei, wo man vorgab, noch nie von einem Luca gehört zu haben. Viel später erst sollte sie ihn wiedersehen: Auf der Titelseite einer italienischen Tageszeitung, unter der Überschrift „Erfolgreicher Schlag gegen die Hintermänner der Ndrangheta“. Unter diesen Umständen erschien es der Stewardess ratsam, ihr Kind lieber alleine großzuziehen und sicherheitshalber Wohnort und Arbeitgeber zu wechseln. So kam es, dass Lucy in Deutschland aufgewachsen und statt in den Stockholmer Schären, am Ufer des Berliner Landwehrkanals groß geworden war.
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