Ein beträchtlicher Teil ihres Einkommens landete bei H&M oder in teuren Boutiquen. Ihr Make-up und ihre Nägel ließ sie sich regelmäßig in einem Studio gestalten und ihre Friseuse verdiente gut an ihr. Das waren Betriebskosten, denn eigentlich war sie recht geizig, sie gönnte sich nicht viel Extras und hielt ihr Geld weitgehend zusammen. Sie hatte ein fernes Ziel, auf das sie hinarbeitete. Ihre Sparsamkeit hatte sie veranlasst, eine Untermieterin in die Wohnung aufzunehmen, die für die Hälfte ihrer Wohnungskosten aufkam, weil sie eine Art Geschäftspartnerin war. Ein Landsmann hatte Jessi vermittelt, die nun seit einem knappen Jahr bei ihr wohnte und letztlich für sie arbeitete.
Jessi war ein braves Mädchen, das dummerweise in einem gar nicht braven Metier gelandet war. Sie hatte ihm einmal gestanden, dass sie ihrem Beruf nur höchst ungern nachging, dass sie Männer zwar nicht verabscheute, aber auch ganz gut ohne sie auskommen könnte. Die Sexarbeit war für sie kein Vergnügen, sondern eine Last und eine Notwendigkeit, nicht anders als das Schuften in einer Fabrik oder die Ausbeutung als Putzfrau, nur dass sie so viel mehr Geld verdiente. Es gab aber noch einen weiteren Grund, dass sie längst nicht so erfolgreich war wie Naomi. Sie war gut katholisch, ja eigentlich zu katholisch für das praktische Leben. Er hatte es schon am ersten Tag geahnt, als er das kleine Kreuz an ihrem Hals gesehen hatte, nachdem sie so unerwartet nackt vor ihm gestanden war. Sein Verdacht bestätigte sich, als er sie am Anfang ihrer Beziehung mit seinen negativen Ansichten über Gott, Glauben und Kirche nervte. Sie reagierte höchst pikiert und verärgert, sodass sie dieses Thema später geflissentlich mieden. Die Gebote der Kirche, denen sie einerseits folgen wollte, andererseits aus Gründen des Überlebens nicht konnte, waren der Grund, dass sie bei ihrer Arbeit permanent ein schlechtes Gewissen hatte.
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Hochhausromantik - Teil 2
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