Konkurrenz

Hochhausromantik - Teil 2

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Yupag Chinasky

– treffen wollte und dass er deswegen für sie, Jessi, keine Zeit habe. Er war froh, dass er mit ihr nicht von Angesicht zu Angesicht sprechen musste, dafür war er zu feige. Sie reagierte wie erwartet, schrie in das Telefon, dann heulte sie, dann beschwor sie ihn, zu ihr zu kommen, sie nicht zu verlassen und nichts mit dieser Schlampe, diesem Luder anzufangen. Er hörte sich ihre Wut und ihre Klagen eine Weile an, versuchte ein paar lauwarme Erklärungen und Entschuldigungen anzubringen, es sei ja nur vorübergehend, er wolle halt auch mal eine Abwechslung, sie seien ja schließlich nicht verheiratet und all solchen Blabla. Doch schließlich wurde es ihm zu dumm, er sagte tschüss, legte auf und schaltete das Handy ab, um den Anruf von Jessi, der umgehend kommen würde, erst gar nicht anzunehmen.
Das Essen mit Naomi war nicht viel anders als das mit Jessi, mit drei Unterschieden. Der eine war, dass sie sich bei einem Griechen und nicht bei dem Stammitaliener trafen, der zweite, dass Naomi im Gegensatz zu Jessi kräftig zulangte, Vorspeise, Nachspeise, Dessert, Schaumwein, Kaffee, Likör während Jessi immer nur wie ein Huhn ein wenig herum pickte und zum dritten, dass sie, obwohl ständig essend oder trinkend ihn regelrecht voll laberte, ihn kaum zu Wort kommen ließ, geschweige denn wissen wollte, was er zu sagen hatte, während ihre Freundin meistens schwieg, vor allem beim Essen. Sie erzählte Geschichtchen aus ihrem Leben, Erfahrungen und skurrile Momente mit ihren vielen Freiern. Dann fuhr sie über Jessi her und machte sie nach allen Regeln der Kunst schlecht. Sie sei nur die Untermieterin, die gnädiger Weise bei ihr wohnen dürfe. Sie, Jessi, sei von ihr, Naomi, abhängig, weil sie nichts allein machen wolle und könne. Sie, Jessi, habe Angst vor allem und jedem und großes Heimweh nach dem verdammten Afrika und ihrer gottverdammten Familie und ihrer Brut, die sie unvernünftiger Weise in die Welt gesetzt habe und den Vater dann vergrault habe und für die sie sich immer noch verantwortlich fühle.

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