Konkurrenz

Hochhausromantik - Teil 2

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Yupag Chinasky

In seinem außerberuflichen Leben herrschte ein apathisches Desinteresse und seine Lebensfreude fand er fast nur noch auf kulinarischem Gebiet. An Sonntagen gingen er und seine Frau in ein angesagtes Restaurant, suchten einen exquisiten Landgasthof auf oder kochten selbst ein aufwändiges Menü. Bei diesen Gelegenheiten, aber nicht nur bei diesen, sprach er reichlich den dazu passenden, teuren Getränken zu, meist mehr als ihm guttat.
Seine Frau hatte ebenfalls mit einigen permanenten, berufsbedingten Unannehmlichkeiten zu kämpfen. Ihr Klientel waren vor allem unerzogene, pubertierende Jugendliche, denen sie Tag für Tag gegenüberstehen musste und deren Aggressivität, gepaart mit Desinteresse, sie in Dauerstress versetzte. An diese Belastung hatte sie sich in all den vielen Jahren nicht gewöhnen können und es bestand auch keine Aussicht, dass sich daran etwas ändern würde, jedenfalls so lange nicht, wie sie berufstätig war. Noch problematischer, wenn auch erst seit einigen Monaten, war die Sache mit ihren Eltern. Sie wohnten in einem Dorf in der Nähe und die Samstage verbrachte sie damit, für sie einzukaufen und zu kochen, meist für eine Woche im Voraus. Dann aßen sie zusammen und nach dem Essen half sie ihnen, all den Kram zu erledigen, den sie allein nicht mehr schafften und das war jetzt schon das meiste und wurde immer mehr. Schließlich fühlte sie sich auch noch verpflichtet, mit ihnen einen Spaziergang oder einen kleinen Ausflug zu machen, weil „die beiden sonst gar nicht mehr ihre Festung verlassen“, wie sie ihrem Mann erklärte. Für gewöhnlich kam sie erst am frühen Abend wieder zurück und war dann ziemlich erledigt. Von Zeit zu Zeit war auch er gefragt, wenn an Geburtstagen oder an manchen Feiertagen ein Besuch unumgänglich war oder wenn sein spärliches handwerkliches Geschick benötigt wurde. Aber das waren Ausnahmen und er war froh, dass seine Frau ihn nicht mehr anforderte.

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