Konkurrenz

Hochhausromantik - Teil 2

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Yupag Chinasky

Für sich brachte sie ein Glas Orangensaft mit und manchmal goss sie sogar einen kleinen Schluck von dem roten Zeug in die gelbe Brühe. Campari-orange war der einzige Drink, den sie mochte. Pünktlich um halb sechs ging er. Wenn er sich nicht selbst fertigmachte, die Schuhe anzog, in die Jacke schlüpfte, seine Sachen zusammen kramte, wurde er regelrecht hinauskomplimentiert. Die Wohnung musste ab sechs frei sein, frei für Naomi, für die Kunden und das Abendprogramm.
Seine Vermutung, welchem Broterwerb die beiden Frauen nachgingen, hatte sich bereits bei seinem zweiten Besuch bestätigt. Auf seine Frage, womit sie ihr Geld verdiene, antwortete Jessi lakonisch „sex, of course, what did you think?“ Sie erzählte ihm recht freimütig, dass beide als Prostituierte arbeiteten und wie sie ihr Geschäft organisiert hatten. Ja, sie würden Männer in ihrer Wohnung empfangen. Ob das bereits ein illegales Bordell sei, diese Frage könne sie ihm nicht beantworten, weil sie keine Ahnung von all dem Kram habe, das mache alles Naomi. Hier in dem Hochhaus würde der häufige Männerbesuch jedenfalls niemanden stören. Das war auch seine Erfahrung. Nur einmal hatten ein paar freche Kinder ihm im Hausflur Hurenbock nachgerufen, als er im Lift das achte Stockwerk drückte. Ansonsten interessierte es anscheinend niemanden, wer in diesem Haus ein und aus ging. Meistens sei nur eine von beiden tätig, fuhr Jessi fort, während die andere spazieren ging oder in einem nahe gelegenen Lokal wartete oder sich ruhig im Schlafzimmer aufhielt. Ja, die Arbeit fand auf der roten Couch statt, niemals, sie betonte das Wort, niemals im Schlafzimmer, das sei privat und tabu, genau so wie küssen auf den Mund, fügte sie lachend hinzu. Manchmal würden sie zu zweit arbeiten, wenn ein Kunde den Wunsch auf einen flotten Dreier habe, das sei aber für den doppelt so teuer und daher käme es nicht oft vor.

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