Der Korridor

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Der Korridor

Der Korridor

Anita Isiris

Als sich ihre Augen etwas ans fehlende Licht gewöhnt hatten, nahm sie mitten in diesem Raum eine weisse Pritsche wahr, die an Fuss- und Kopfende mit Ledermanschetten versehen war. „Jaja“, hauchte die Stimme hinter ihr, „jaja“. Marisa wurde von kräftigen Händen gepackt und ausgezogen. Schuhe und Hose waren zuerst dran; Marisas Zappeln und Schreien half nicht – Geräusche wurden, wie ihr schien, von diesem unheimlichen Raum verschluckt. „Ein weisser Baumwoll-Slip, ts ts“, liess sich eine Männerstimme vernehmen. „Aber… ahhh, die duftet ja vedammt gut…“. Es war die Stimme von Herrn Brehm, dem Tetraplegiker. Der Geruchssinn war etwas vom wenigen, was ihn noch am Leben erhielt, erinnerte Marisa sich, und aus diesem Grund stellte das Pflegepersonal täglich einen frischen Strauss mit duftenden Blumen in sein Zimmer. Nie, nie hätte sie gedacht… dass sie selbst eines Tages diese duftende Blume sein würde. Wem die Hände gehörten, die ungeduldig an ihrem Kasak zerrten, konnte sie nicht eruieren. Wenige Minuten später war sie bloss noch mit Unterwäsche bekleidet, und mit ihren grün-blauen Ringelsöckchen. Eine Hand umfasste ihren Bauch und zog sie ohne viel Aufhebens auf die Pritsche.

Blitzschnell wurden die Ledermanschetten um Marisas Handgelenke festgezurrt, dasselbe geschah mit ihren Knöcheln. Mit weit gespreizten Beinen und vollkommen immobil lag sie da und atmete tief – gegen die Angst half das aber nicht. „Hübsch, die Kleine, serrrr hübsch.“ Dr. Morosoli, der Chef, war also auch mit von der Partie. Mit ernster Miene beugte er sich über Marisa und machte sich an ihrem Slip zu schaffen. „Besserrrr so“, murmelte er, zerschnitt mit einer Schere ihr Höschen und schleuderte es durch den Raum. „Ahhhh… guterrr Duft… l’air du temps, schätze ich… wusste gar nicht, dass Krankänschwästerrn ihr Fötzchen vor Arbeitsantritt parfümieren… muss das wohl in die neuen Bestimmungen aufnähmen… hahahaha…“.

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