Ich verschaffte mir Respekt und Loyalität, indem ich meine hierarchische Stellung nicht dadurch demonstrierte, jemanden warten zu lassen, der mein Büro betrat. Ich nahm mir immer sofort Zeit, was nur klarstellte, dass ich bei meiner unterbrochenen Arbeit sowieso nicht den Faden verlieren würde. In formell freundlicher Höflichkeit beantwortete ich alle Fragen und erteilte eindeutige Anweisungen. Ich sah jedem und jeder stets direkt in die Augen, doch war dies weder eine irgendwie bedrohliche mentale Machtprobe noch eine erkennbar gefühlvolle Handlung. Ich signalisierte letztlich nur Interesse an der Person, ganz so, wie ich es in meinen Führungskräfteseminaren lernte, jedoch nichts, was über die Arbeit hinausging. Natürlich gab es da auch den einen oder anderen interessanten Mitarbeiter, mit dem unter anderen Umständen ein Flirt nahe gelegen hätte. Nun, vor allem den einen gab es, K., Mitte Dreißig, markantes Profil, schwarze, mittellange Locken, ein nachdenklicher Nonkonformist, der ausgleichend wirkte, gut gelitten war, aber nirgendwo richtig dazugehörte. Wenn er mich mit seinen großen blauen Augen anblickte, ging das tief.
Er war der Typ, der seine Arme unter deine Kniekehlen hakt und dich stehend an der Wand fickt.
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Ich hatte spät noch eine Konferenz für den folgenden Tag vorzubereiten, es würde also noch viel später werden und meine Gier nach einem doppelten Espresso wurde in der Kaffeeküche nebenan enttäuscht. Es waren keine Bohnen mehr in der Maschine. Drum musste ich den Gang entlang und am Ende dann links hinüber in den wenig einladenden Altbau, wo sich in der hintersten Ecke eine weitere moderne Maschine befand. Die war, weil weniger frequentiert, meist noch nicht geplündert, wenn ich zu später Stunde Notstand litt. Auf dem Weg dorthin begegnete ich keiner Menschenseele, alles war bei diesem traumhaften Wetter schon ausgeflogen.
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