Bin schockiert. Sitze am Lietzensee. Da sitze ich öfter. Zwar nicht in letzter Zeit, wegen meiner chronischen Pleite, aber generell schon. Es ist schön, in der Sonne zu sitzen, die an diesem Spätoktobertag noch einmal alles gibt. Sie scheint, als gäbe es kein Morgen, weil es bald Winter sein wird. Die Blätter versuchen, sich an ihren Bäumen festzuklammern, als wären sie kleine Geliebte. Aber sie müssen loslassen. Bald. Nur nicht heute. Heute wiegen sie sich sanft im warmen Wind. Vielleicht sollte ich das auch tun.
An den letzten Sex kann ich mich nicht mal mehr erinnern. Vermutlich, weil er nicht gut war. Jedenfalls: Ich wollte nur so da sitzen. Möglichst, ohne was zu konsumieren. Ohne was dafür zu bezahlen jedenfalls. Ihr wisst ja, wie ich das meistens mache. Ich schleppe eine Tetra-Tüte voll von billigem Fusel mit und dazu ein leeres Glas. Daraus schenke ich mir unterm Tisch heimlich selber ein. Diesmal nicht. Sagen wir einfach, ich habe den Wein vergessen, damit das Szenario noch etwas asozialer klingt, als es ohnehin schon ist, aber es könnte wirklich so gewesen sein, oder?
Egal. Was wirklich passiert ist:
Weil ich mir schon mit gekrümmten Rücken die Finger wund getippt habe, war ich leider gezwungen, meinen Revuekörper aus dem Korbsessel zu erheben, aufzustehen, ein paar Schritte zu gehen und um die Ecke, wo mich weniger Leute sehen können, einige gymnastische Übungen zu vollführen, Rücken strecken, Hände in die Höhe, ein paar kleine Kreise und so. Bei dieser Beschäftigung beobachtete mich eine ältere Dame, die ihre besten Jahre sichtlich hinter sich hat, das Rennen aber, ihrem Verhalten nach zu urteilen, trotzdem noch nicht aufgegeben hat. Sie sieht mich bei meinen peinlichen Verrenkungen und macht einfach mit. Dazu steht sie auch noch auf. Sie glaubte, ich wolle ein imaginäres Orchester dirigieren und macht einfach mit. Das kann ja heiter werden, denke ich noch.
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