Es war am späten Abend eines ganz gewöhnlichen Tages, eines Freitags, als ihr Mund den seinen fand und ein Kuss begann, der an Intensität und Dauer ohnegleichen war. Es war reiner Zufall. Er hatte sich im Theater ein Stück angeschaut, das ihm überhaupt nicht zugesagt hatte. Leicht irritiert und einigermaßen frustriert wollte er rasch zurück nach Hause, es sich dort noch ein bisschen gemütlich machen, ein Glas Wein trinken und Musik hören. Im Foyer traf er aber einen Bekannten. Sie redeten ein Weilchen, ziemlich belangloses Zeug, aber da sie sich länger nicht gesehen hatten und er ihn eigentlich ganz nett fand, machte er den Vorschlag, noch irgendwohin auf ein Bier zu gehen. Doch der Bekannte lehnte ab, er habe leider keine Zeit, habe noch etwas vor, man erwarte ihn, es täte ihm leid, aber das nächste Mal, ganz bestimmt das nächste Mal, da gehen wir zusammen wohin. Der Bekannte verschwand, ließ ihn in de Halle stehen und er ging, noch ein wenig mehr frustriert, zu seinem Auto in der Parketage. Er war nun unter den Letzten und er sah, wie sich die Autos stauten und er wusste, dass es einige Zeit dauern würde, bis er das Parkhaus verlassen konnte. In einer halben Stunde wäre hier gähnende Leere, da wäre niemand mehr da, dann hätte er freie Fahrt. Statt im Schritttempo zu zockeln und stinkende Abgase einzuatmen, wäre es besser noch ein paar Schritte zu gehen, einen kleinen Spaziergang machen, etwas frische Luft, das könnte nicht schaden.
Es war noch nicht einmal zehn Uhr und der Abend war für Mitte Oktober ziemlich lau. Trotzdem war die Innenstadt weitgehend verlassen, wie immer. Auch an lauen Sommerabenden war die langweilige Stadt verlassen. Durch die Straßen bummeln machte keinen Spaß, um diese Zeit schon gar nicht und window shopping bei den Ein-Euro-Läden und den Bäckereifilialen war auch nicht aufregend. Irgendwo könnte er ja noch ein Bier trinken, auch wenn er allein war.
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