Als ich etwas später Lady Sonya aka Anabel wieder komplett angezogen gegenübersitze, da bin ich zum Glück wieder komplett zurück in meiner Rolle: ein Profi-Journalist, der für seine Recherchen Grenzen überschreitet. Ich habe schon einiges für meinen Job getan. Höhlentauchen, Fallschirmsprünge, mehrere Tage Schlafentzug, ein Pilztrip, über glühende Kohlen laufen, eine Woche im Schweigekloster. Aber nichts davon war so einschneidend und lebensverändernd wie diese Session mit Lady Sonya. Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich das wirklich veröffentlichen möchte. Denn es ist fast nicht möglich, in Worte zu fassen, was ich eben erlebt habe. Und ich spüre, dass das für mich erst der Anfang war, der erste Schritt in eine neue, ganz andere Welt. Eine Welt, die so einzigartig ist, so besonders… Will ich wirklich darüber schreiben – und damit jedem meine tiefsten Gefühle zeigen?
Ich fasse einen Entschluss. Atme tief durch und sage „Danke, liebe Anabel, dass du mir diese Erfahrung ermöglicht hast.“
„Gerne doch. Es war mir ein Vergnügen.“
Wir schauen uns einen Moment lang schweigend an. Dann fragt sie mich „wann wird der Artikel erscheinen?“
„Gar nicht“, antworte ich, und schiebe schnell hinterher „also noch nicht gleich. Es wäre nicht richtig. Nicht angemessen.“
Anabel schaut mich fragend an „Wie meinst du das?“
„Ich würde den Zauber deiner wundervollen Arbeit nicht annähernd abbilden können.“
„Und das heißt jetzt was?“
„Das heißt, dass ich erst noch viel mehr lernen muss. Wenn ich darf, versteht sich. Ich würde gerne ... ab jetzt ... öfter kommen. Nur zu Recherchezwecken, versteht sich...“
„Ach so, ja. Selbstverständlich. Nur für die Recherche.“
„Wäre das für dich OK?“
„Klar“ sagt Anabel und steht auf, um ihren Terminplaner zu holen.
„Zahlt das eigentlich alles deine Zeitung?“
„Meine sonstigen Recherchen bisweilen schon. Aber in diesem Fall ... ganz sicher nicht. Und auch sonst verdient man als Journalist ja eher schlecht als recht.“
„Dann musst du deinen Job wirklich sehr lieben.“
Das tu ich, in der Tat. Ich liebe meinen Job. Vor allem wegen Momenten wie diesem.
Lady Sonya – Interview mit einer Domina
61 16-25 Minuten 1 Kommentar

Lady Sonya – Interview mit einer Domina
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Schade eigentlich.
schreibt rockroehre
Die Autorin, die es bisher immer wieder schaffte, neue Blumen am Rand selbst abgelatschster Pfade zu streuen und sie zur Blüte zu bringen, beugt sich nun um Quote zu machen. Aber sei's drum. Jeder Zehntel-Cent sei ihr gegönnt. Die Geschichte kriegt sicher viele Menschen mit falsch eingeschätztem Selbstbild und Lücken am Fundament des Grundvertrauens. Mich kriegt die Geschichte nicht. (Vor allem weil sie mehr nach Netzrecherche-Ergebnisse von 16-jährigen ZDF-Praktikanten klingt als wahre Erlebnisse.) Liebe Alina Soleil: Bitte bitte schreib weiter, aber nicht über was du nur vom Hörensagen kennst. Deine Imagination ist sensationell. Bitte nutze das weiterhin.