Es waren ja auch Menschen, diese Männer, und viele von ihnen waren Familienväter, und wer eine Familie gründete, hatte doch ganz bestimmt, tief drinnen, einen guten Charakter.
Lara blieb stehen, betrachtete das Boot genauer, das im Mondschein schimmerte, und fasste einen Plan. Verarmt, wie ihre Familie war, gab es für Mädchen wie Lara kaum einen Unterschlupf – bestenfalls noch der Weinkeller der Kaschemme, aber dort gab es Pfützen von Erbrochenem, und man war nie sicher, wer wann laut grölend das Gewölbe betrat. Ein Boot hingegen, ihre Entdeckung, gut verborgen im Schilf, liesse sich allenfalls nutzen, damit sie Männer näher an sich heranlassen konnte, um ihrem Bauchgefühl Nachachtung zu verschaffen und herauszufinden, wo denn diese gute, schillernde Männerseele verborgen lag. Eine von Laras Freundinnen hatte ihr einmal lachend erzählt, die Seele des Mannes verberge sich in der Penisspitze, und wenn man diese Penisspitze in den Mund nähme, würde sie hell glitzern. Lara hatte noch nie einen nackten Mann gesehen, geschweige denn sich jemandem hingegeben, und ihre Neugier wollte sie fast verbrennen.
Dann begab es sich bereits am folgenden Abend, dass auf Laras Heimweg, direkt vor ihr, ein älterer Herr mit einem Spazierstock am See stand und in die Weite hinausblickte. Es war ein warmer Vorsommerabend, und die inneren Zeichen der Menschen standen auf Liebe, Nähe, Begierde und Überraschungen. Lara war nicht wählerisch. Ihre Neugier machte nicht vor dem Alter eines möglichen Liebhabers halt; den Mann vor ihr schätzte sie auf etwa sechzig Jahre. Also ging sie langsam an ihm vorbei, blieb stehen und öffnete ihr Jäckchen, um die Aufmerksamkeit des älteren Herrn zu erregen. Das gelang ihr mühelos, schon nur mit ihrem gelockten, schulterlangen Haar, das vom Mond sanft beleuchtet wurde.
Lara und das Boot
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