Wir wollen Lara nicht Unrecht tun. Als Älteste von drei Schwestern hatte sie sich mit ihren einundzwanzig Jahren schon viel aufbürden müssen. Die Familie war alles andere als begütert, vor allem, seit der Familienvater eines Tages nicht von der Arbeit im Bergwerk nach Hause zurückgekehrt war. Almosen von der kleinen Dorfgemeinde gab es kaum; Larissa, die Mutter der drei Kinder, arbeitete hart, um ihre Töchter einigermassen durchs Leben zu bringen. Kirina, die Jüngste, und Carmen, die Mittlere, verdingten sich tagsüber in der Gerberei am Dorfrand. Die Arbeit in einer übelriechenden Gerberei gehört zum Härtesten, was man sich vorstellen kann – oftmals arbeiten in Gerbereien Behinderte, die sich nicht wehren können, ausschliesslich Männer. Aber die beiden jungen Frauen hatten keine andere Erwerbschance, weil sie schulisch kaum gebildet waren. Etwas anders sah es bei Lara aus. Sie war ausgesprochen hübsch, ihre Augen leuchteten wie Sterne, und wenn sie über den Dorfplatz ging, steckten ihr die Leute kleine Leckereien zu, damit sie leichter durch den Alltag kam. Lara hatte ein Herz aus reinem Gold, und es war so, dass sie die Süssigkeiten für ihre beiden Schwestern aufhob, wenn diese abgearbeitet und müde nach Hause kamen.
Dann war da die Idee mit dem Boot. Es war Laras Idee. Sie war körperlich aufgeblüht und war mit ihren runden Formen ein absoluter Männermagnet. Natürlich wussten alle, wie bitterarm die Familie war, und diese Armut umgab Lara wie eine Art Schutzschild. Es war so, dass es niemand, wirklich niemand gewagt hätte, sich an Lara zu vergreifen. Sie arbeitete tagsüber an einem Webstuhl, ein absolutes Privileg, auch wenn sie am Abend die Hände schmerzten, weil sie das Weberschiffchen so oft hin- und her gejagt hatte.
Dann entdeckte Lara eines Abends, auf dem Nachhauseweg, das Boot.
Lara und das Boot
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