Lebensretter

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Lebensretter

Lebensretter

Paul Magallas

„Jetzt gib es schon zu: Was ist los? Gibt’s eine andere?“
Ich war doch nicht blind. Mir fiel schon lange auf, dass zwischen meinem Mann und mir – trotz oder gerade nach 30 Jahren Ehe – die Dinge auseinanderliefen. Manchmal konnte ich, 54 Jahre, Mutter von zwei Jungs (12 und 16), gut versorgt, eigenes Haus, im Beruf, stabiles Leben, die Distanz besser ertragen. Heute aber wieder einmal nicht. Ich wollte nicht so nebeneinanderher leben, mich morgens mit dem flüchtigen Kuss beim Abschied, sehr seltenem Sex, der so gar nichts mehr vom Feuer der ersten Jahre hatte, abfinden. Heute war wieder so ein Tag, an dem ich bewusst penetrant, streitlustig und kratzbürstig sein wollte.
„Jetzt gib es schon zu!“  Meine Stimme klang scharf, war mir beinahe fremd. Wollte ich es wirklich (so genau) wissen?
Am Ende stand ich vor dem Scherbenhaufen unserer Ehe. Mein Mann, erfolgreicher Dozent, hatte seit langem eine Affäre mit einer Studentin, die zwanzig Jahre jünger als ich war. Jetzt war’s raus und für mich diese ausgehöhlte, schal gewordene Beziehung einfach aus.
Mein Leben war aus den Fugen. Nichts passte mehr zueinander. Mir war es nur recht, dass mein Mann sehr schnell auszog. Scheidung stand am Horizont, Trennung war jetzt die einzige Möglichkeit, Luft zu bekommen. Die Jungs waren weiter zu versorgen. Sie waren zum Glück in einem Alter, in dem sie zunehmend selbstständiger wurden und eigene Wege gingen. Sie blieben erstaunlich stumm angesichts der Tatsache, dass „Papa“ nicht mehr da war. Die alltäglichen Abläufe gaben mir eine notdürftige Tagesstruktur. Ich ging weiter meiner Arbeit in der Büro-Gemeinschaft nach. Ich lebte und arbeitete auf Auto-Pilot. Eigentlich lag bleierne Schwere auf meinen Tagen.

So saß ich auch an diesem Morgen in der Pause im Innenhof wieder zusammengesunken über meinem Handy, scrollte lustlos und ohne wirkliches Interesse durch Filmchen und Nachrichten, Chats. Dass ich inzwischen selbst Katzen-Videos über mich ergehen ließ, hätte mir Warnsignal sein können, wie ernst es um mich bestellt war.

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