Es waren mittlerweile nur noch wenige Menschen in den Straßen, aber einige waren selbst jetzt noch zur späten Stunde mit Teilen ihres Hausrats auf den Schultern und großen Taschen in den Händen unterwegs.
An einer Ecke sah er dann die chica, eine sehr junge Frau. Sie stand an eine Hauswand gelehnt, rauchte und wartete. Sie hatte ein helles, buntes Kleid an, das im Schein der gelben Straßenlampe eine Signalwirkung ausübte, wie ein Glühwürmchen, dachte er, ein Glühwürmchen, das ein Männchen anlocken will. Sie schien auf ihn gewartet habe, denn kaum war er nähergekommen, sprach sie ihn an. Was er hier mache, ob er keine Angst vor dem ciclon habe. Sie lachte, als er ihr sagte, dass er die Stadt nicht verlassen könne und dass es so schrecklich langweilig sei. Er, meinte sie lakonisch, könne jedenfalls wieder gehen, wenn der ciclon vorbei sei, aber sie müsse ihr ganzes Leben hier verbringen und die Langeweile jeden Tag ertragen. Sie war noch jung, hatte eine dunkle Hautfarbe und kunstvoll geflochtene Rastahaaren. Sie war nicht besonders hübsch, ihre Nase war zu breit und sie schaute meist etwas träge und gelangweilt drein. Außerdem war sie reichlich klein und schon ein wenig dick, trotz ihrer Jugend und neben dem Charme und der Unbekümmertheit der Jugend hatte sie nicht viel zu bieten. Sie hatte zwar nicht viel zu bieten, wusste aber ganz genau, was sie wollte. Sie wusste, dass dieser irre Tourist, der während des ciclons bei Nacht durch die Straßen ging, ihre einzige Chance in diesen Tagen war, das einzige Mittel gegen die Langeweile und die einzige Möglichkeit an ein paar Dollar zu kommen. Sie war eine der jungen Frauen, die sich zum Teil aus schierer Not, meist aber wegen des Wunschs nach etwas Luxus oder für ein spendiertes Abendessen mit Touristen anfreundete.
Liebe im ciclon
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Liebe im ciclon
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