Linea Fuscas Geheimnis

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Linea Fuscas Geheimnis

Linea Fuscas Geheimnis

Anita Isiris

Liebe Männer

Wie Ihr wisst, verfügen wir Frauen über einige anatomische Eigenheiten, die Euch bekanntlich faszinieren. Auch Frauen fühlen sich bekanntlich öfter zu Frauen hingezogen, als sie sich eingestehen würden. Sie haben aber – im Gegensatz zu den Männern – weniger die „anatomischen Eigenheiten“ im Fokus, sondern lassen sich bezirzen von der Frauenseele, diesem Ultrafiltrat an Innigkeit, Lebensfreude und gleissendem Licht. „Linea Fuscas Geheimnis“ handelt von beidem. Den „anatomischen Eigenheiten“ und der „Frauenseele“. Barbara Behringer war in der 14. Woche schwanger.

Man hätte ihr das nicht angesehen. Klar war es an Hand ihrer schlanken Figur auszumachen, das leicht gerundete Bäuchlein. Es hätte sich aber auch um Fett handeln können. Machen wir uns nichts vor. Barbara Behringer war 30. Ihr zurückgekämmtes und meist zu einem Pferdeschwanz gefasstes Haar liess sie sportlich wirken, sportlicher, als sie es eigentlich war. Die Zeit flog nur so dahin, und Matthias, ihrem Ehemann, dämmerte erst allmählich, was da, familienmässig betrachtet, auf ihn zukam. Barbara und er hatten sich vor Jahren an der Côte d’Azur kennen gelernt, bei einem Austernessen. Matthias hatte die Augen nicht von ihr abwenden können, der damals 22Jährigen, die so gemütlich vor dem Schälchen mit den Zitronen sass und genussvoll an einer enormen Auster leckte. Sofort hatte sich bei ihm etwas geregt. Er hatte sie im ersten Moment für eine Französin gehalten und gewusst, dass er chancenlos war, was die Sprache anging. Um so erfreuter war er dann gewesen, als er Barbara mit ihrer Tischnachbarin Deutsch sprechen hörte. Diese Sprache beherrschte er, verstand er, liebte er. Bei der Nachspeise kamen sie sich näher, die Barbara und der Matthias – und zwei Tage später kamen sie sich noch näher, wenn Ihr wisst, was ich meine. Barbara war Grundschullehrerin, Matthias Informatiker. Diese Kombination von Anima und Ratio, von Seele und Verstand, machte die beiden bald zu einem unzertrennlichen Paar. Der Zufall wollte es, dass sie beide in Berlin lebten, in der Nähe vom Oranienburger Tor. An der Auguststrasse, wo Matthias seine Vier-Raum-Wohnung hatte, zogen sie dann zusammen. Materiell gesehen führte er Barbara an die Sonne. Seine grosszügige Wohnung verfügte über eine Dachterrasse mit viel Buschwerk, wo man sich auf bequemen Liegestühlen hinfläzen und der Berliner Sonne entgegenträumen konnte. Barbara machte davon ausgiebig Gebrauch, und das Resultat liess nicht lange auf sich warten: Rasch wandelte sich ihr Hautton zu einem geheimnisvoll schimmernden, golddunklen Braun. Barbara war eine schöne Frau mit langen Beinen, grazilen Fussknöcheln und wohlgeratenen Zehen. Wohlgeratene Zehen sind übrigens seltener, als man denkt. Sie zeichnen sich aus durch geraden Wuchs, nur eine moderate Verdickung im Bereich der Nagelbetten und kleine, weiche Zehenballen.

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