Lisa, die Dachdeckerin

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Lisa, die Dachdeckerin

Lisa, die Dachdeckerin

Anita Isiris

Hätte Lisa Orangenhaut gehabt in jenen jungen Jahren, bestimmt hätte sich auch diese auf dem dünnen, eng umspannenden, zumeist hellgrauen Stoff abgezeichnet. Nebst der engen Kleidung verfügte Lisa aber noch über ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Sie hatte dichtes, dunkelblondes Haar, das sie immer zu einem kräftigen Zopf flocht. Damit wirkte sie unwiderstehlich, und es gibt wohl kaum einen Mann auf dieser Welt, den es nicht gelüstet hätte, ein Mal, ein einziges Mal im Leben nur, über Lisas Zopf zu streichen.


Was den Männern um Lisa herum ebenfalls den Rest gab, war Lisas Dialekt. Sie sprach astreines Walliserdeutsch. Das Wallis ist ein Schweizer Kanton, der allen, die ihn jemals betreten, den Atem raubt. Nirgends auf der Welt gibt es nämlich derart schöne und begehrenswerte Frauen wie im Wallis, mit meist dunkelbraunen Zauberaugen, schönen, ausdrucksstarken Händen und, es sei hier gesagt, mit den geheimnisvollsten, attraktivsten Brüsten auf diesem Planeten. Lisa war eine von ihnen, und sie verfügte über all die erwähnten Attribute in grosszügigem Mass, auch, was ihre Brüste betraf. Sie waren grosszügig bemessen – so grosszügig, dass sich Lisa, während eines Sekundenbruchteils überlegte, ob sie ihr bei all den gefährlichen Klettermanövern, die ihr in ihrem windigen Beruf bevorstanden, nicht auch hinderlich sein könnten. Aber Lisa bewegte sich geschickt, eidechsengleich, und der Grund für ihre enge Kleidung war nicht etwa, dass sie sich auf Tiktok zeigen und Männer in Schnappatmung versetzen wollte. Der Grund, dass Lisa derart enge Kleidung trug, war, dass sie dem Wind ein Schnippchen schlagen wollte. Er sollte an ihr vorbei schlüpfen, der Windschlüpfrige. Sie genoss den Wind auf ihrer eng bemessenen Körperhülle, und der Wind geht im Wallis oft.

Eines schönen Tages stand Lisa gut gelaunt und gut gesichert auf einem Dach – mit einem neuen Auftrag.

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