Lisa und das Gummiboot

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Lisa und das Gummiboot

Lisa und das Gummiboot

Anita Isiris

Lisa genoss die Hochsommersonne und bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. Sie hatte die Augen geschlossen und genoss die Wärme bis hinunter in die Zehenspitzen. Ihres türkisblauen Bikinis hätte sie sich schon längst entledigt, wären da nicht die Strandwächter gewesen, die es nur darauf abgesehen hatten, naiven “Oben-ohne“-Frauen aus Nordeuropa schmierige Bussenzettel hinzustrecken, mit einem Glitzern in den Augen, das Triumph, Schadenfreude und Lüsternheit zugleich verriet. Rainer hatte sich für den Nachmittag verzogen. Er war auf der Suche nach einem Surfbrett, das er aber bei dieser Windstille kaum würde nutzen können. Lisa reichten ihre fünfjährige Taucherbrille, ihr Bikini und ihr soeben erstandenes rotes Gummiboot völlig, um jeden Tropfen dieses Urlaubs in sich aufzusaugen und zu geniessen. Als sie aber für einen kurzen Moment die Augen aufschlug, zuerst in die Sonne blinzelte und dann zur Seite sah, erstarrte sie: Das neue Gummiboot war verschwunden. Lisa setzte sich kerzengerade auf und schlug mit der Faust in den Sand. Verdammt! Sofort lenkte sie ihren Verdacht auf einen der Nordafrikaner, von denen es hier nur so wimmelte. Dann sah sie es, bestimmt 200 Meter von ihr entfernt, auf dem fast wellenlosen Meer vor sich hintreibend: Ihr Gummiboot. Geistesgegenwärtig schlang sie ihr Badetuch um die Hüfte und hatte so ihre Wertsachen bei sich, die sich in einer Frotté-Seitentasche befanden. Sie wusste gleichzeitig, dass es hier Seeigel in grosser Zahl gab, und sie war barfuss. Wenn doch bloss jemand mit einem Motorboot… Der Strand leerte sich allmählich, ein weiterer wunderschöner Sommernachmittag neigte sich dem Ende zu. Da hörte sie hinter sich Rainers Stimme. “Hey, Lisa! Was suchst Du denn?” „Was wohl?“ antwortete sie gereizt und realisierte im selben Moment, dass Rainers Frage durchaus berechtigt war. Woher sollte er denn wissen, dass da draussen ihr neues Gummiboot trieb?

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