Lockdown - Des Dramas zweiter Teil

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Lockdown - Des Dramas zweiter Teil

Lockdown - Des Dramas zweiter Teil

Anita Isiris

Marco sah sich in Mariangelas Wohnung um. Das war nun der Ort, an dem er eine unbestimmte Zeit verbringen würde. Wie lange es wohl dauerte, bis er Mariangela auf die Nerven ging? Die beiden sahen sich bloss gelegentlich, in erfreulichen Momenten, etwa zum Pizza Essen in einer Trattoria. Aber jetzt? Marcos persönliche Maslow-Pyramide geriet ins Wanken. Fundamentale Werte wie Selbstbestimmung und Sicherheit bröckelten weg, als hätte es sie nie gegeben. Werte, an die sich die gesamte westeuropäische Gemeinschaft über Jahrhunderte gewöhnt hatte. Insbesondere seit dem Ende des zweiten Weltkriegs waren Selbstbestimmung und Sicherheit nie mehr in Frage gestellt worden. Trotzdem – hatte sich die Gesellschaft wirklich so entwickelt, wie sie es hätte tun sollen? War sie offen, liberal, egalitär, ausgeglichen, pazifistisch und auf die Umwelt Rücksicht nehmend? Nahm sie die Hilfsbedürftigen und Gebrechlichen liebevoll in ihre Mitte und bot ihnen den benötigten Schutz? Trug sie gebührend Sorge zu diesem reichlich seltsamen, aber doch liebenswerten Planeten mit seinen Schmetterlingen, Orchideen, Quallen und Schlingpflanzen?

Nein, das war sie eben nicht – durchseucht vom giftigen Gedankengut misogyner Psychopathen wie etwa Sigmund Freud, bedroht von Strahlemännern wie seinerzeit John F. Kennedy, einem Womanizer erster Güte, der aber der US-Armee gleichzeitig den Auftrag gegeben hatte, über Vietnam hochgiftiges Dioxin abzuwerfen. So sinnierend, merkte Marco zuerst gar nicht, wie Mariangela hinter ihn trat und mit ihren nackten Brüsten wie zufällig seinen Rücken streifte. Sofort durchzuckte ihn ein Stromschlag, und das Verlangen nach ihrem warmen, weichen Körper wurde wieder wach. Mariangela tat so, als wäre es das Natürlichste der Welt, eine nackte Gastgeberin zu sein. Vom sehr gut erzogenen Marco brauchte sie sich nicht zu fürchten, er bedrohte sie ja in keiner Art und Weise, und sie blickte belustigt auf seine Körpermitte, die er schamhaft von ihr abwendete. Eigentlich waren sie ja nur Kollegen, und erneut ging Marco das Bild durch den Kopf, dass das filigrane Spinnennetz einer langjährigen kollegialen Beziehung durch ein einziges falsches Wort, durch eine einzige unbedachte Handlung wie mit einer Schere durchtrennt werden könnte.

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