Die wenigen Straßen waren schnell durchschritten. Er wollte gerade an die grob behauene Eichentür des Esposito’schen Hauses hämmern, da ging diese von allein auf und ein grober Reisigbesen fegte ihm Staub und ein wenig Unrat auf seine frisch geputzten Schnabelschuhe. Verblüfft schaute er nach unten und dann an Marcella hinauf. „Verzeiht, mein Herr“, entfuhr es ihr, während sie ihn mit ihren großen, braunen Reh-Augen anschaute, als sei sie gerade vom Eselskarren angefahren worden, „mein Vater ist nicht zugegen, er beschafft gerade neues Holz in Mosciano.“
„Das macht nichts. Ich wollte zu Euch, holdes Fräulein. - Ihr kennt mich?“
„Ja Meister, ihr seid der Künstler in der ‚Via della Ninna‘. Was ist denn euer Begehr?“
„Fürwahr, genau der bin ich und mein Begehr … nun ja, … ich muss ein paar Portraits malen und möchte vorher noch einmal einige Studien…“
„Und da habt ihr an mich gedacht? Ich kann Euch nicht zahlen!“
Er lachte. „Da habt ihr etwas falsch verstanden, ich werde euch entlohnen. Sagen wir zwei Denare die Stunde?“
„Maestro, sagen wir drei.“ Auch sie lachte und warf dabei ihr mehr als schulterlanges brünettes Haar selbstbewusst nach hinten.
„So sei es, kommt morgen gleich in der Früh zu mir, ihr wisset schon, das Haus gegenüber vom Palazzo Vecchio.“
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Zuverlässig erschien sie am nächsten Morgen schon bald, nachdem die Hähne gekräht hatten und Lionardo ließ sie in seinem Atelier auf einem Stuhl mit Armlehnen Platz nehmen. Die nächsten Stunden vergingen mit Bleistiftstudien. Hastig skizzierte Aspekte ihrer Gesichtspartien, der Haltung auf dem Stuhl, der Lage ihrer Hände. Und immer und immer wieder versuchte er, eine ansprechende Mundpartie zu zeichnen, war aber nie zufrieden.
Marcella, die ihn leise fluchen hörte und merkte, dass etwas ganz und gar nicht rund lief, frug: „Was ist der Grund für euren Verdruss? Darf ich schauen, Herr?
schreibt Amorelio