Marco Serafino und die Bäckerstochter

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Marco Serafino und die Bäckerstochter

Marco Serafino und die Bäckerstochter

Anita Isiris

«Hai visto la mia ragazza?» Ich erröte und beantworte damit bereits seine Frage. Signor Vito kommt rasch auf den Punkt: Er möchte, dass ich seine Tochter male. Sie ist dem Sohn des Bürgermeisters versprochen, sagt er mir, und in wenigen Wochen soll eine rauschende Hochzeit stattfinden. Maurizio! Maurizio ist also der Verlobte von Mariateresa. Das trifft mich wie ein Stich ins Herz, aber ich lasse mir nichts anmerken und höre ihrem Vater aufmerksam zu. Er wünscht, dass ich seine Tochter male, denn er schätzt mich als Künstler. Von einem Moment auf den andern geht es mir wieder sehr gut, umso mehr, als ich meinen Lohn in Erfahrung bringe. «Una bottiglia di vino, Brunello di Montalcino, e trè panini ogni settimana ». Darüber hinaus will er mir die Leinwand schenken, auf der ich seine Ragazza verewigen soll. Ich verzweifle fast vor Glück, wäre ihm beinahe um den Hals gefallen, nicke eifrig und mache mich auf den Weg zur Piazza del Campo. Was ich jetzt brauche ist Luft, Licht und Sonne. Ich schliesse die Augen, lasse mich bescheinen und sehe mich vor meinem geistigen Auge bereits die Farben mischen, den Lichteinfall, «la luce» in ihrem glänzend schwarzen Lockenhaar.

Noch nie hat eine Frau meine Dachkammer betreten, und ich muss leider gestehen, dass sie entsprechend aussieht. Das Fenster ist verklebt, der Boden staubig, und das einzige Prunkstück, der fleckige Divan in der Ecke, den mir mein Vorgänger überlassen hat, macht aus meinem Zimmer ebenfalls keinen Salon. Wie sehr hätte ich der armen Mariateresa ein lichtdurchflutetes Atelier gegönnt, mit mehreren spanischen Wänden, hinter denen sie in immer neuen Kleidern hätte hervortreten können. Ich hatte aber nur diesen einen, tristen Raum. Obwohl mich bereits wieder der Hunger plagte, machte ich mich voller Energie ans Aufräumen. Von der mürrischen «Vecchia» im Erdgeschoss erbat ich mir einen Eimer mit Wasser, reinigte das kleine Fenster, lüftete und schrubbte den Boden.

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Gedichte auf den Leib geschrieben