Marco Serafino und die Bäckerstochter

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Marco Serafino und die Bäckerstochter

Marco Serafino und die Bäckerstochter

Anita Isiris

Den Gedanken, dass Mariateresa versprochen war, verdrängte ich geflissentlich und dachte nur noch an die Staffelei, die Farbpaletten und den Lichteinfall.

«Vorbereitung ist alles», das war ein Grundsatz, den ich mir in den Kopf und ins Herz geschrieben hatte – sei es nun, dass ich Kirchenfenster kopierte, Bäume in allen denkbaren Grüntönen erscheinen liess oder Tiere, etwa Katzen, festhielt, die mich natürlich immer verliessen, bevor ich das Bild fertig gemalt hatte. Ich verfüge aber über eine für Künstler lebenswichtige Eigenschaft: Ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Ich halte die Dinge fest, stelle mir Konturen vor, Farbverläufe, zitternde Äste… und kann weitermalen, auch wenn das Objekt nicht mehr zur Verfügung steht.

Es ging gegen Abend, und die Sonne versank hinter dem Palazzo Pubblico in magischem Rot. Es war Zeit, mit Signor Vito Kontakt aufzunehmen, denn jetzt ging es um die Details. Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich sah, wie er, in Eintracht mit seiner Tochter, die Bäckerei aufräumte, Regale reinigte und die kleine Steintreppe wischte. «Amico!», rief er erfreut, als er mich sah. Er machte mich mit Mariateresa bekannt, und sie aus der Nähe zu sehen, übertraf mein Vorstellungsvermögen bei weitem. «Comminciamo domani!», entschied ihr Vater – ich sollte für das Gemälde genügend Zeit haben, auf dass es am Hochzeitstag zur Verfügung stünde. Mariateresa sagte nicht viel, und ich ahnte, dass sie genauso verlegen war wie ich. Signor Vito drückte mir das Herzstück für das Bevorstehende in die Hand, nämlich eine wertvolle, gerollte Leinwand, aus festem Material, und ich wusste gleich, dass ich mir so etwas in meinem Leben nie würde leisten können.

Wir vereinbarten einen Zeitpunkt für Dienstagmorgen, neun Uhr, wenn Siena in sein mesmerisierendes Morgenlicht getaucht war.

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