Marco Serafino und die Bäckerstochter

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Marco Serafino und die Bäckerstochter

Marco Serafino und die Bäckerstochter

Anita Isiris

In jener Nacht tat ich kein einziges Auge zu, einerseits, weil ich aufgeregt war wie noch nie zuvor, andererseits, weil ich im Cortile ein smaragdgrünes Tuch gestohlen hatte, das ich auf dem fleckigen Diwan drapierte – Mariateresa zu Ehren. Wem es gehörte, wusste ich nicht, sehr wohl ahnte ich aber, was einem «Ladro», wie ich einer war, blühen könnte.

Endlich dämmerte der Morgen. Die Hälfte des Panino, das mir Mariateresas Vater geschenkt hatte, hatte ich mir aufgehoben und kam so zu einem halbwegs anständigen Frühstück. Ich füllte unten im Cortile meine Wasserkaraffe, denn mein Modell sollte keinen Durst erleiden, keineswegs. Die mittlerweile trockene Wäsche hing immer noch dort, aber da war diese leere Stelle, und mein schlechtes Gewissen wegen des smaragdgrünen Tuchs nagte an meiner Seele.

Pünktlich um neun Uhr stand Mariateresa am Eingang, allein, denn ihr Vater hatte den Verkauf für den ganzen Tag allein übernommen. Mariateresas Mutter lebte seit langer Zeit nicht mehr und war einer mysteriösen Krankheit erlegen, bei der die Frauen immer ausgezehrter und bleicher wurden und unversehens in den ewigen Schlaf hinüberglitten. Gott halte sie in Ehren – aber sie lebte in ihrer wundervollen Tochter weiter – einer Frau, der ich nun künstlerische Ewigkeit verleihen würde.

Ich gebe es zu: Ich bin nicht ganz frei von Eitelkeit, und diese kleine Prise Narzissmus ist die Essenz eines jeden Künstlers. Mit andern Worten bedeutet das, dass ich an mich glaubte. Nicht dass ich mich mit einem Leonardo da Vinci verglichen hätte, oh nein, so weit ging meine Vermessenheit nicht, aber ich hielt mich für einen ganz passablen «Pittore».

Ohne viele Worte geleitete ich die Bäckerstochter die vielen Treppen nach oben und stellte einmal mehr fest, dass es immer wärmer und enger wurde, je weiter sich die Treppen nach oben wanden. Die frühmorgendliche Hitze kulminierte dann in meiner Dachkammer.

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