Marco Serafino und die Bäckerstochter

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Marco Serafino und die Bäckerstochter

Marco Serafino und die Bäckerstochter

Anita Isiris

Die kleinste Unaufmerksamkeit hätte dazu geführt, dass zu viel Weiss, zu viel Rot beigemischt würde, was den Hautton augenblicklich ruiniert hätte. Dann vernahm ich hinter mir ein Rascheln, so, als würde sich Stoff bewegen, so, als würden feine Fäden aufgeschnürt, so, als möchte sich jemand erfrischende Kühle verschaffen. Ich wagte nicht, mich umzudrehen.

Das Licht füllte mittlerweile den gesamten Raum, und eine kleine Zirrhe dehnte sich über den drei Pappeln. Das Leben konnte schön sein – «La Vita potrebbe essere bella».

Da hörte ich Mariateresas leise Stimme: «Sono pronta», sagte sie, und es war dieser eine Satz, der wie ein Blitz auf offenem Feld durch meinen armen und hungrigen Körper fuhr. Ich drehte mich langsam um, und da stand sie – so, wie Zeus sie erschaffen hatte. Ihr müsst wissen, dass ich mich nebenbei auch mit Altphilologie befasse, ich kenne alle Götter, und für mich war immer klar, dass es nur Zeus gewesen sein konnte, der Frauen wie Mariateresa erschaffen hatte. Nur er hatte dieses Gespür, diesen Blick für das gewisse Etwas, nur er konnte Pallas Athene, Eirena, Helena und Artemis gezeugt haben.

Noch nie hatte sich mir eine Frau in ihrem Urzustand gezeigt, obwohl ich mit anatomischen Skizzen durchaus vertraut und zudem fantasiebegabt bin. Ich erahne geschwungene Schultern, Brüste, Bauchnäbel, Hüften, Schenkel und weibliche Füsse – aber das, was sich hier meinem Auge darbot, liess beinahe meine Sinne schwinden. Ich rette mich in einen heftigen Hustenanfall, was der nackten Mariateresa ein sibyllinisches Lächeln entlockte. Dann war der Spuk vorbei und sie fand zurück zu ihrer Ernsthaftigkeit. Sie stand hier Modell, um ihren zukünftigen Gemahl zu erfreuen, keineswegs aber mich. Ich liess meinen Blick an ihr entlang gleiten, mehrmals, «lo confesso», und ich hoffte inständig, dass sie meine Betrachtungen nicht als lüstern, sondern als fachlich-künstlerisch-kritisch interessiert wahrnahm.

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Gedichte auf den Leib geschrieben