Marco Serafino und die Bäckerstochter

2 11-17 Minuten 0 Kommentare
Marco Serafino und die Bäckerstochter

Marco Serafino und die Bäckerstochter

Anita Isiris

Zu ihren Füssen lag das schwarze Kleid, wie ein dunkler See, und ebenso verstreut lagen da geheimnisvolle Kleidungsstücke, hinter denen sie ihren Busen und ihre Hüften verborgen hatte, verborgen vor hungrigen Männerblicken, die im Siena der Hochrenaissance nicht allzu selten waren.

Dann war ich an der Reihe. Ich hatte einen Auftrag. Ich musste handeln. Die Zeit lief uns davon, und die Farben warteten darauf, verarbeitet und auf die Leinwand aufgetragen zu werden. So aber, mit geschwungenen Schultern und hängenden Armen im Raum stehend, mit kleinen Schweisstropfen auf der Stirn, konnte ich ihr auf der Leinwand kein Leben einhauchen. In meiner Dachkammer stand die wohl schönste Frau der Welt, aber nicht in der Position, in der ich sie mir wünschte. Daher komplimentierte ich sie auf den Diwan, und ich verdankte das smaragdgrüne Tuch, das die unappetitlichen Flecken verdeckte, Zeus, Jupiter und allen Göttern, die da jemals waren.

Sie fand eine natürliche Position, nahm einen weiteren Schluck Wasser zu sich und schaute mich erwartungsvoll an. Jetzt war der Moment, jener magische Moment, der bestimmt auch Leonardo da Vinci widerfährt: Der Augenblick, in dem der Pinsel, «la Spazzola», zum ersten Mal die Berührung mit der Leinwand aufnimmt, diese kitzelt, mit ihr redet… und sie mit einem kommenden Meisterwerk in Licht taucht, färbt und belebt.

Ich kam zügig voran. Meine Schläfen pulsierten, ich konnte mich an der Bäckerstochter niemals sattsehen, aber die Grundskizze der liegenden Mariateresa war ein Meisterwurf ohnegleichen, wenn ich das hier so sagen darf. Die Grundskizze ist die Essenz jedes Aktgemäldes, denn in ihr steckt das Leben, die Bewegung, die Authentizität der Abgebildeten. Was auf meiner Leinwand entstand, war aber weit mehr als ein Akt. Die Lebendigkeit von Mariateresas Augen, ihr malerisch geschwungener Körper, der aufregende Hautton ihres Ausschnitts, ihrer Ellenbogen, ihrer Schenkel übertraf die zeitgenössische Malerei bei weitem.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 2505

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben