Margarete sagte nun wirklich keiner zu ihr. Sie nannte sich Margie, was im breiten Dialekt des Südostens einen wirklich gutturalen Klang hatte und dem zu jener Zeit sich gerade etablierenden Hang zu Anglizismen in jeder Form! vor allem aber bei der privaten Verballhornung von Eigennamen, entsprach.
Es waren die letzten Jahre vor dem globalen Siegeszug der HIV-Infektion und die Liebe war frei und ein Genuß, nicht mehr so durchgeknallt wie bei den Pionieren der sexuellen Revolution in den 1970ern, sondern schon sehr selbstverständlich, mit Selbstbewusstsein angestrebt und mit Esprit verwirklicht.
Margie liebte die Liebe in ihrer sinnlichen Gestalt und sie war dabei unbekümmert wie kaum eine. So mancher war erfreut, wenn sich die Gelegenheit bot, sie nach Hause zu fahren und auch ich hatte meine intimen Begegnungen mit ihr vom Quickie auf dem Rücksitz meines alten Golfs, geparkt auf einsamen Feldwegen, bis hinzu ausgiebigen und ausgefallenen Aufenthalten in meiner Wohnung.
Es war ihr nicht beliebig, wenn sie erwählte und schon gar nicht war sie für jeden einfach zu haben. Aber ihre tiefe, unerwiderte Liebe zu einem sehr viel älteren Mann ließ ihr keine andere Wahl als Trost im endlichen Glück der erotischen Begegnung zu suchen. Drum waren Sympathie und Zuneigung eine unverzichtbare Voraussetzung für ihre Wahl! das Fehlen jeglichen Anspruchs an den Mann in all ihrer Melancholie der Grund für die unglaubliche Leichtigkeit und Heiterkeit der intimen Vereinigung.
Manche hielten sie für naiv, gerade die etwas zugeknöpfteren jungen Damen der Clique! die in selbstzufriedener intellektueller Attitüde meinten! zur geschlechterbewußten Selbstfindung müsse man sich mindestens einige Jahre ideologisch von Alice Schwarzer anleiten lassen. Das war für das Umfeld traumatisierend, selbst für jene Männer! die den betreffenden Damen gar nicht auf den Pelz rücken wollten.
Margie sah in den Männern keine Feinde, sie waren in der Mehrzahl ihre guten Freunde und immer wieder Quelle kurzen! aber intensiven Glücksgefühls. Die Sympathie der einen und ein gewisser Neid der anderen begleitete sie, letzterer nur im Zaum gehalten durch ein gewisses Gefühl intellektueller, moralischer, gesellschaftskritischer und was-weiß-ich-für-welcher Uberlegenheit ihr gegenüber, dem Küken der Truppe. Lediglich am Rande sei erwähnt, dass Margie in späteren Jahren durch eine zielgerichtete Berufsausbildung, die ihr nur Basis eines noch viel eindeutiger auf späteren beruflichen Erfolg gerichteten Studiums war, und die folgende Tätigkeit für verschiedene Konzerne im gehobenen Management zeigte, was sie eigentlich drauf hatte. Heute ist sie zu Hause in der Welt und gerade ihre guten Kontakte in die arabische Welt genießt sie anscheinend nicht nur des Geldes wegen.
All das war damals nicht zu ahnen. Ich war stets hin- und hergerissen von meinen Gewissensbissen einer Sexualität mit einem zarten, verletzlichen Mädchen, für das ich Zuneigung, aber keine Liebe empfand, und dem Ausgeliefertsein an ihre erotische Anziehung. die bezeugte, dass sie durch und durch schon selbstbewusste, sinnliche Frau war.
Margie - das letzte Denkmal für eine Verflossene
Geschichten vom Anfang der Sehnsucht
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Margie - das letzte Denkmal für eine Verflossene
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