In einem kleinen Dorf an der Adria lebte einst Maria Grazia Fulvia Daria. Sie war die Älteste von vier Geschwistern, und die Familie kam mehr schlecht als recht durch – dank dem blühenden Tourismus rund um das Schloss Miramar, das erhaben auf einer Felsklippe der Bucht von Grignano stand. Das Schloss hatte bereits in der frühen Pubertät von Maria Grazia für deren Leben eine besondere Bedeutung errungen, weil sie in den ausgedehnten Parkanlagen, zwischen zwei Buchsbäumen, von ihrem damaligen Lehrer verführt und geküsst worden war.
Weiter war Signor Cievidalli nicht gegangen, weil er den Einfluss von Maria Grazias Vater fürchtete. Nicht dass dieser ein hohes politisches Amt bekleidet hätte, das nicht. Aber er war Gärtner in ebendiesen Parkanlagen und hatte somit eine Schlüsselstelle für das Weiterleiten von Informationen inne, die Signor Cievidalli rasch die Lehrerstelle hätten kosten können.
Signor Cievidalli war gleichsam der erste Mann gewesen, der Maria Grazias ungewöhnlichen Körperbau wohlwollend zur Kenntnis genommen hatte. Sie war noch sehr jung gewesen damals, und ihre Brüste hatten sich eben erst zu runden begonnen.
Es waren zwei Dinge, die Signor Cievidalli, und nach ihm Dutzende von Dorfbewohnern, an Maria Grazia fasziniert hatten: Ihr rötliches Haar, das an eine mittelalterliche Hexe gemahnte, und ihr wundervoller, ausladender Unterleib. Viele Männer im Dorf waren ausgesprochen kunstaffin. Es gab Literaten, Fotografen und Maler zuhauf, die zumeist einem profanen Broterwerb nachgingen und ihrer Leidenschaft im stillen Kämmerlein frönten, wenn die Bambini bereits tief schliefen.
„Il culo di Maria Grazia Fulvia Daria“ war ein berühmtes Gemälde, das von Piero, einem der Fischer, gemalt worden war. Es wurde nur im Geheimen herumgereicht, und es kam nie an den Tag, ob Maria Grazia dem jungen Mann tatsächlich Modell gestanden hatte oder ob das prachtvolle, naturalistisch gehaltene Ölgemälde Pieros Fantasie entsprungen war.
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