Maria Trost

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Maria Trost

Maria Trost

Yupag Chinasky

Oben, in der Welt des Realen, des vertraut Realen, wieder angekommen, fühlte er sich sehr schwach und erschöpft. Er hatte nur noch den dringenden Wunsch, in sein Zimmer zu gehen, sich auf sein Bett zu legen und sich weiter diesen seltsamen, aufregenden Träumen hinzugeben, die ihn immer noch umtrieben, die ihn noch gefangen hielten, obwohl die Details aus seinem Bewusstsein verschwunden waren. Er hoffte, diese Scheinwelt zurückholen zu können, noch einmal das nachzuerleben, was ihn in der Grotte übermannt hatte, noch einmal diese Glücksgefühle auszukosten und das große Verlangen zu spüren. Aber waren es überhaupt Glücksgefühle oder war es letztlich nur eine grotesk überdrehte Angst? Eine Angst, die er auch deutlich gespürt hatte, nicht die vor dem Versagen, sozusagen die normale Angst der Männer, sondern die, nicht mehr aufhören zu können, diese Scheinwelt nicht mehr verlassen zu wollen. Der Heiler, mit dem er auf dem Weg nach oben kurz sprach, war mit dem Resultat des Grottenbesuchs sichtlich zufrieden und zeigte auch volles Verständnis für seinen Wunsch einerseits nach Ruhe, andererseits nach weiteren Träumen. Er solle sich ausschlafen, die Erschöpfung sei normal, am nächsten Tag könnten sie weiterreden, obwohl es eigentlich nicht mehr viel zu bereden gäbe, denn nun sei geschehen, was geschehen sollte und alles werde jetzt wieder gut.

Am Mittwoch wachte er ziemlich spät auf, fühlte sich zwar gerädert, aber dennoch ausgeschlafen und in bester Stimmung. Er hatte vermutlich eine aufregende, rauschhafte Nacht erlebt, eine Fortsetzung der Erlebnisse in der Grotte, das sagten ihm die Bilderfetzen, die nach dem Erwachen noch kurz in seinem Kopf herumspukten, dann aber wieder rasch verschwanden, das sagte ihm sein Unterbewusstsein, das ihm allerdings nicht erlaubte, sich zu erinnern, weder an Bilder noch an Geschichten, und das zeigte sich auch daran, dass das Kopfkissen und das Bettlaken schweißnass waren. Als er wieder voll bei Bewusstsein war, der Traumwelt entstiegen, waren die Erlebnisse in der Grotte sofort wieder in seinem Kopf präsent, aber als er nun aus der Distanz einer überschlafenen Nacht darüber nachdachte, schob er alles auf reine Halluzinationen zurück. Was hätte es denn sonst sein können, fragte er sich. Er hatte nichts zu sich genommen, keine Drogen, keinen Alkohol und von der Kerze, mit ihrem intensiven, ja geradezu betäubenden Duft nach Bienenwachs, konnten diese seltsamen Zustände ja wohl nicht gekommen sein. Andererseits war in einer solchen okkulten Umgebung vieles möglich, was an anderen Orten wohl nicht stattfinden konnte, all die Schamanen, all die Voodoopriester wussten das und versetzten sich und ihr Publikum in die entsprechende Bereitschaft. Vielleicht sollte er den Heiler fragen, was ihn in diesen erregten Zustand versetzt hatte. War er es gewesen, obwohl er doch gar nicht mental auf ihn eingewirkt hatte, dafür aber um so intensiver mit seinen Händen, konnte dadurch solch ein seltsames, sexuelles Phänomen in seinem Unterbewussten entstehen, das dann nur noch diesen geheimnisvollen Ort brauchte, um hervorzubrechen und ihn zu drangsalieren oder zu euphorisieren, was auch immer? Aber das hatte Zeit, dir Fragen waren dann doch nicht so drängend. Frohgelaunt stand er auf, duschte und ging zu der vegetarischen Frühstückstafel. Dort saßen nur noch drei der sieben weiblichen Teilnehmer des Kurses. Die anderen waren schon gegangen, um sich auf die gemeinsame Sitzung im Wald vorzubereiten, zu der sie bald aufbrechen würden. Schon als er zum Frühstücksbüfett ging, natürlich war alles vegetarisch, Eier, Vollkornbrot, Käse, Aufstriche, Tee spürte er die Blicke der Frauen in seinem Rücken. Als er dann seinen Platz an der Tafel einnahm, ein wenig entfernt von den Dreien, starrten diese ihn auf eine Weise an, dass ihm ganz seltsam zumute wurde. Erst dachte er, er habe etwas komisches getan oder dass mit seiner Kleidung etwas nicht in Ordnung sei, aber nein, er selbst war es, seine Person, die offensichtlich Freude bei den Damen auslöste, den Blicken nach zu urteilen und den fast geflüsterten Worten, die ihn dennoch erreichten. Er lächelte sie an, sie lächelten zurück. Er aß, sie blieben auf ihren Plätzen, starrten ihn an, lächelten, sagten aber nichts mehr. Als er sein Geschirr abräumte und sich anschickte, den Raum zu verlassen, standen sie ebenfalls eilends auf, denn mittlerweile waren sie spät dran. Ihr Lächeln, mit dem sie sich von ihm verabschiedeten, war einfach bezaubernd.

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Gedichte auf den Leib geschrieben