Maria Trost

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Maria Trost

Maria Trost

Yupag Chinasky

Die gemeinsame Sitzung fand wieder im Freien statt, an einem anderen Ort als am Sonntag, ohne Blick über das Tal, dafür auf gerade gewachsene Fichtenstämme, aber der Ablauf war sehr ähnlich und das Resultat nicht viel anders. Eine Sache war jedoch deutlich anders, die Frauen des Kurses, wirklich alle, schauten ihn selig an, lächelten ihm auf eine Weise zu, dass er schließlich völlig verwirrt war. Leider ergab sich vor dem Essen keine Möglichkeit mehr, mit dem Heiler über diese Seltsamkeit und über das Erlebnis in der Grotte zu sprechen. Zum Mittagessen ging er, wie nun schon gewohnt, in das Hotel Pelikan und dort erlebte er eine weitere höchst seltsame Überraschung. Das junge Mädchen, die schmale Bedienung in dem zu großen Dirndl, dieses etwas androgyn wirkende, unausgereifte aber sehr freundliche Wesen eilte, kaum dass er den Raum betreten hatte, auf ihn zu, begrüßte ihn freudig und dirigierte ihn zu einem Tisch, an dem sie bediente. Dabei strahlte sie ihn an, ja sie himmelte ihn geradezu an und sprudelte los, noch ehe er ein Wort sagen konnte. Wie froh sie sei, dass er heute gekommen sei und zum Abendessen müsse er unbedingt auch wieder kommen, sie habe ihm etwas Wichtiges zu sagen, etwas sehr Wichtiges, aber er solle bitte, bitte etwas später als sonst kommen, dann sei das Lokal leer und sie habe mehr Zeit für ihn und die brauche sie. Auf seine Frage, was denn so wichtig sei, sagte sie nur, das könne sie jetzt nicht sagen, aber er würde es heute Abend erfahren. Und bevor sie seine Bestellung endlich aufnahm, bedrängte sie ihn noch einmal, er müsse ihr unbedingt versprechen, zu kommen, es sei wirklich sehr, sehr wichtig. Das Verhalten dieses jungen, unschuldigen Dings irritierte ihn mächtig, insbesondere als ihm wieder das siedend heiß einfiel, was er in der Grotte mit ihr getrieben hatte, zwar nur in Gedanken, aber es war, als hätte es tatsächlich stattgefunden. Verlegen stocherte in seinem Essen herum und murmelte etwas, um sich zu entschuldigen, als die Bedienung zum Kassieren kam und ihn frage, ob es heute nicht geschmeckt habe und ihn noch einmal an das Treffen am Abend erinnerte.

Während des ganzen Nachmittags, als nichts Bedeutendes mehr geschah, die Frau mit der dünnen Stimme leitete eine Art Yogakurs, konnte er sich nicht konzentrieren, denn das junge Mädchen ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er spürte einen inneren Zwang, einen regelrechten Drang, diese unscheinbare Bedienung in einem absolut normalen Hotel auf dem Lande wieder zu treffen. Einen so unerklärlichen Drang, dass er fast schon meinte, er habe sich in sie verliebt, was er dann zwar als ausgemachten Blödsinn abtat, aber damals, als er noch jung war und sich noch verlieben konnte, war es genauso gewesen, die Angehimmelten hatten ihn voll in Beschlag genommen und gingen ihm tagelang nicht mehr aus dem Kopf.

Er kam dann auch an diesem Abend, nicht nur weil ihm das Essen an sich gut schmeckte und weil er neugierig war, was ihm die Bedienung so Dringendes mitzuteilen hatte, sondern weil er es in dem Nonnenheim einfach nicht ausgehalten hätte, weil er verrückt geworden wäre ohne diesen Besuch, ohne dass er diesem verdammten Drang nachgegeben hätte, der ihn seit dem Mittagessen plagte. Er kam mit der gewünschten Verspätung, und als die junge Frau ihn sah, strahlte sie ihn an und sagte, er solle sich an einen Tisch in der hintersten Ecke der Gaststube setzen, dort seien sie ungestört. Sie war die einzige Bedienung, mehr waren auch nicht nötig, denn es war tatsächlich wenig los. Nur noch wenige Gäste an einem einzigen Tisch und die waren versorgt und so hatte sie Zeit, sich zu ihm zu setzen und sich mit ihm zu unterhalten. Besser gesagt, es sprudelte wieder aus ihr heraus, wie schon am Mittag, und er hatte kaum Gelegenheit, zu Wort zu kommen. Zu seiner Überraschung begann sie, ohne Einleitung, ohne ein paar verbindliche Worte zu verlieren, gleich mit der Feststellung, dass morgen, am Donnerstag, ihr freier Tag sei und ob er schon etwas vorhabe, ob er sich vorstellen könne, diesen Tag mit ihr zu verbringen, ob es ihm gefallen würde, zusammen einen kleinen Ausflug zu machen. Sie legte eine kurze Pause ein und sah ihn mit großen Rehaugen erwartungsvoll an. Sie fände ihn so nett und sympathisch und sie sei hier so einsam und er der einzige, der interessant sei und ihr größter Wunsch sei es, mit ihm einen schönen Tag zu verbringen, er würde es nicht bereuen, sie wisse was sie wolle und wenn er Bedenken wegen ihres oder seines Alters habe, könne sie ihn beruhigen, es störe sie absolut nicht, dass er so viel älter sei, das würde absolut keine Rolle spielen, denn dort wo Sympathie und Liebe herrschten, spiele das Alter keine Rolle und sie empfände nun mal viel Sympathie für ihn. Dies schon, als sie ihn zum ersten Mal gesehen habe und noch viel mehr seit heute Mittag. Das sei so, dagegen könne sie nichts machen und deswegen solle er bitte, bitte zustimmen und kommen.

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Gedichte auf den Leib geschrieben