Er fand eine geeignete, helle Lichtung, mitten im dunklen Wald. Vielleicht war es auch einer dieser power places, denn was nun geschah, ließ sich anders kaum erklären. Denn kaum waren beide ausgestiegen, waren ein paar Schritte in dem seidenweichen Gras gegangen, schritt sie schon zur Tat. Ohne viele Worte, ohne große Umschweife, ohne ihn zu fragen oder zu warnen oder vorzubereiten, umarmte sie ihn, küsste ihn fast schon verzweifelt auf den Mund und fummelte auch schon an seiner Kleidung herum. Dabei ermutigte sie ihn atemlos, dasselbe mit ihr zu tun, sie zu küssen, sie auszuziehen. Dann lagen sie im halbhohen, weichen, duftenden Gras dieser einsamen Lichtung und liebten sich voller Lust und mit der Lebensgier von zwei Ertrinkenden, die es gerade noch auf ein rettendes Floß geschafft hatten. In ihm kamen genau die Gefühle wieder auf, die ihn schon in der Grotte heimgesucht hatten, nur das sein Tun diesmal nicht fiktiv, sondern zweifellos echt war. Um das zu beweisen, zwickte er sich selbst in den Unterarm. Der Schmerz war so real wie das unendliche Vergnügen und den blauen Fleck sah er noch viele Tage nach dieser Kombination aus Tsunami und Tornado, in den nun beide gerieten. Der blaue Fleck erinnerte ihn noch lange an die unglaublichen Vorgänge, die sich an diesem Tag abspielten, die hier aber nicht im Einzelnen aufgezählt werden können und sollen. Es ist müßig, sie alle beschreiben zu wollen, nur so viel sei gesagt: sie liebten sich mehrfach und sehr intensiv, im Auto, im Freien, im Stehen, im Liegen, in vielen Variationen, an weiteren Plätzen im Wald, auf einer einsamen Wiese, im Schatten eines einsamen Heustadels. Die Frau war unersättlich und so erfindungsreich, wie er es nicht für möglich gehalten hätte, jedenfalls nicht bei einer so unscheinbar wirkenden, blutjungen Bedienung, die aus der tiefsten Provinz stammte und in einem biederen ländlichen Hotel beschäftigt war und die ihn knappe vier Tage kannte und vor dieser unerklärlichen Liebeswut kaum ein paar Worte mit ihm gewechselt hatte. Aber sie war tatsächlich raffiniert und ausgehungert und probierte alles aus, was sie sich möglicherweise in stillen Stunden ausgemalt oder in heißen, heimlich betrachteten Pornos abgekupfert hatte. Und er selbst, er war von sich selbst auch höchst erstaunt, denn zu seiner eigenen großen Überraschung, war er stets bereit und in der Lage, alle ihre Wünsche zu erfüllen, er war immer erfolgreich und liebte sie mit wachsendem Vergnügen. Das, was an diesem Tag geschah, war mehr als nur ein Märchen, es war die Potenz vieler Märchen und er genoss jede Minute über die Maßen, auch weil er genau wusste, dass dieser Tag sich nie mehr wiederholen würde.
Sie beschäftigten sich aber nicht nur mit der Liebe in all ihren Variationen, sie besuchten auch die Burg, erfreuten sich an dem grandiosen Ausblick, fanden um die Mittagszeit ein nettes Lokal, in dem sie sich der ländlichen Küche widmeten und fanden sogar etwas Zeit zu reden. So erfuhr er, dass sie nicht freiwillig in dem Hotel war, sondern dass ihre Eltern es so wollten, dass sie einen Freund hatte, einen langweiligen und erzkatholischen, den sie lieber auf Abstand halten wollte, ihn am liebsten ganz verlassen wollte, aber das sei nicht so einfach. Er war letztlich der Grund, dem Wunsch der Eltern nachzugeben und in dem Klosterdorf zu bleiben, jedenfalls eine Weile, denn auf Dauer sei es unmöglich. Dann bestätigte sie, was er ohnehin schon gemerkt hatte, nämlich dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte, weil er eine mögliche Alternative zu diesem ungeliebten Freund und dem ebenfalls ungeliebten Aufenthalt in der behüteten Klosterwelt war, die einzige mögliche Alternative, die sie im Moment habe. Was schere sie der Altersunterschied, nur die Liebe würde zählen und in der Hinsicht sei er unglaublich, phantastisch, unerschöpflich. Ihr größter Wunsch sei, bei ihm zu bleiben, mit ihm zu leben, er solle sie mitnehmen, sie könnten gut zusammenleben, heiraten sei ohnehin aus der Mode gekommen. Er sei doch geschieden und unglücklich, dass habe er doch gesagt, aber zusammen könnten beide richtig glücklich werden, davon sei sie überzeugt und bereit, ihm alles, wirklich alles zu geben, was sie zu ihrem gemeinsamen Glück bräuchten. Und wenn sie schon nicht im selben Haus wohnen könnten, wegen der Nachbarn und so, könnte sie ja eine eigene Wohnung haben und sie könnten sich jeden Tag sehen und die Nächte miteinander verbringen. Bei ihren Worten, ihren Vorschlägen und Wünschen wurde ihm nun doch sehr seltsam zu Mute, aber noch schwebte er auf dieser verdammten rosaroten Wolke, aber dennoch wurde eins ihm immer klarer, das was dieses junge Mädchen wollte, wollte er nicht, so rosarot war diese Welt dann doch nicht, das war ihm auch in seinem entrückten Zustand durchaus bewusst. Und dann, am späten Nachmittag, kurz bevor sie wieder zurück in das Klosterdorf fuhren, stellte er noch eine Frage, die ihm schon lange auf der Zunge lag und ihre Antwort bestärkte ihn in seiner Skepsis. Denn als er wissen wollte, wie alt sie eigentlich sei, druckste sie herum, wurde rot, und erst als er nachbohrte, erfuhr er, dass sie nächsten Monat Geburtstage habe und dann 18 sei. Wie ums sich für alles zu rechtfertigen sprudelte sie wieder, dass es ja nicht mehr lang dauere und dann sei sie volljährig und dass sie jetzt schon so gut wie volljährig sei und auf jeden Fall alt genug für all das, was sie getan hatten und zusammen noch tun würden. Dann war der Ausflug beendet und der Tag ging in den Abend über und sie saßen noch lange in seinem Auto auf dem Parkplatz des Pelikans und erneut bedauerte diese wilde Minderjährige, dass sie die Nacht nicht zusammen verbringen konnten. Ihren Vorschlag, ein Zimmer in einem Hotel zu nehmen, lehnte er kategorisch ab. Das sei absolut unmöglich, da bekäme er große Schwierigkeiten, ob ihr das nicht klar sei. Überhaupt, sei es ein großes Problem, dass sie unter 18 sei und wenn er das schon vorher gewusst hätte, wäre es vielleicht gar nicht so weit gekommen, aber er bereue auch nichts, keine Minute, er habe jede einzelne genossen und das sei die Wahrheit, aber jetzt noch ein Hotel suchen, das ginge nicht. Außerdem befände er sich in einer für ihn sehr wichtigen Kur im Nonnenheim und dürfe deren erfolgreichen Ablauf nicht stören. Sie sah ihn tief enttäuscht ein, beharrte aber nicht mehr auf ihrem Vorschlag und so trennten sie sich, als es schon dunkel war mit vielen weiteren Küssen, die aber nun seltsam bitte zu schmecken schienen.
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