Einerseits beschwingt, andererseits voller Zweifel, auf jeden Fall aber gar nicht erschöpft, trotz der vielen, kräftezehrenden Anstrengungen, kehrte er in sein karges Zimmer zurück. Zwar bedauerte er angesichts des schmalen Bettes, nicht doch in den Armen dieser unglaublichen Frau einschlafen zu können, aber dann dachte er an die vielen Komplikationen, die er so vermieden hatte, und schlief bald darauf ein. Nach einer Nacht, in der sich Glücks- und Angstmomente abwechselten, erwachte er am nächsten Morgen, nass geschwitzt und sehr erregt. Kaum war er wach, überfielen ihn die Zweifel und die Ängste und sie peinigten ihn unerbittlich. Erst als er am späteren Vormittag Gelegenheit hatte, mit dem Heiler zu sprechen, fand er seinen inneren Frieden so einigermaßen wieder, allerdings erst, als eine sehr bittere Pille geschluckt hatte. Der Heiler nahm sich Zeit und hörte verständnisvoll zu, als er ihm alles schilderte alles, was am gestrigen Tag vorgefallen war, alles was ihn umtrieb und verunsicherte und bat ihn um Erklärungen. Er wisse einfach nicht, was mit ihm los sei, warum ihn die Frauen so anstarren würde und warum ihn ein so junges Mädchen so bedrängte und verführte, ihn einen reichlich alten Mann. Und auch das seltsame Geschehen in der Grotte wolle er ansprechen, auch da hätte er gerne ein paar Erklärungen. Der Heiler meinte nach einer Weile des konzentrierten Schweigens, dass die Geschichte ihn nicht überraschen würde. Er sei wohl etwas zu lange in der Grotte gewesen. Dort hätten aber Drogen keine Rolle gespielt, auch die Kerze sei aus ganz normalem Bienenwachs, da sei nichts hinein manipuliert worden. Auf seine Frage, ob es denn wirklich nur reine Halluzinationen gewesen seien, er habe doch auch in seinem Körper deutliche Veränderungen gespürt, antwortete der Heiler, so könnte man das mit unserem heutigen Wissen durchaus bezeichnen. Aber schon Shakespeare habe gesagt, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gäbe, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Er solle sich doch nur mal überlegen, wie er einem Michelangelo, einem sicher hochgebildeten Mann in seiner Zeit, das Internet erklären wollte. Was wir heute noch als Wunder oder Halluzination bezeichneten, fände vielleicht schon morgen eine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Erklärung. Wichtig sei, dass er diese Halluzinationen nicht mit seinem wahren Leben verwechsle. Auch die junge Frau, um wieder auf sie sprechen zu kommen, sei nur eine Art von Halluzination. Normalerweise würde er sich nicht in das Privatleben seiner Patienten einmischen, sie seien alt genug, um zu wissen was sie tun, aber in diesem Fall müsse er ihm den dringenden Rat geben, sofort, noch heute, noch vor dem Mittagessen, jedenfalls kein Mittagessen im Hotel, abzureisen, das Mädchen weder aufzusuchen, noch sich von ihr zu verabschieden, ihr keine Nachricht zukommen zu lassen, weder jetzt noch irgend wann später. Es sei hart für sie, gewiss, und auch für ihn, aber diesen Preis müsse er bezahlen, um seines Seelenfriedens und einer glücklichen Zukunft willen. Wenn er sich weiter mit ihr einließe, sein Glück noch einmal, noch mehrmals zwingen wolle, stünde am Ende ganz sicher eine bittere Enttäuschung, eine Katastrophe, ein Unglück, da sei er sich ganz sicher. Er habe Einmaliges erlebt und das sei auch einmalig, zwar sei das eine Binsenweisheit, aber diese seien meistens wahr. Der Vorschlag, sofort abzureisen, gefiel ihm natürlich gar nicht und er zweifelte an den Worten des Heilers, weil er ihnen keinen Glauben schenken wollte, weil er sich immer noch in dieser rosaroten Wolke befand. Doch der Heiler ließ nicht locker. Er solle sich doch mal überlegen, was passieren würde, wenn die Eltern des Mädchens davon erführen. Er kenne sie doch gar nicht, wisse aber zumindest, dass immer noch minderjährig sei und ob er sich sicher sei, dass sie vorher nicht noch Jungfrau war? Gut, das hätte er vielleicht bemerkt und außerdem sei das heutzutage eher ungewöhnlich für Mädchen in ihrem Alter. Aber, es sei nicht ausgeschlossen, dass er es plötzlich mit dem Staatsanwalt zu tun bekäme, wegen Verführung Minderjähriger, weil die Eltern ihn angezeigt hätten oder weil seine kleine Geliebte von ihm enttäuscht sei und ihn bestrafen wolle, indem sie ihn der Vergewaltigung beschuldige. Er habe doch keine Zeugen gehabt, dass der Geschlechtsverkehr im Auto und im Wald einvernehmlich erfolgt sei, oder? Und noch etwas, er solle nicht glauben, dass dieser Zustand der verrückten Verliebtheit, der unendlichen Bereitschaft zu ficken, bei beiden anhalten würde. Der würde rasch vergehen, rascher als ihm vielleicht lieb sei. Er sei hergekommen, um seine Leiden zu behandeln und nicht, um fortan als Supermacho durch das Leben zu gehen. Die Leiden sei er los, vorerst jedenfalls, da könne er sich sicher sein, wenn er auch keine Garantie abgeben könne, dass sie nicht doch wieder kämen, schließlich sei das normal bei zunehmendem Alter, aber wenn er diese junge Braut am Hals habe, würde er sie nur schwer wieder los werden, also solle er sich auf keinen Fall weiter mit ihr einlassen. Er dachte über die eindringlichen Worte des Heilers nach und es war, als bekäme er lauter Stiche in seine Brust, weil er diesr junge Frau verraten sollte, die an ihn glaubte, die ihn brauchte, die ihn so geliebt hatte, wie noch nie zuvor eine andere in dieser Welt und nach der er immer noch verrückt war. Aber dann folgte er doch seinem Rat, räumte sein Zimmer, bezahlte die Rechnung, verabschiedet sich auch von der Frau mit der dünnen Stimme und kehrte, beschwingt und enttäuscht zugleich, in sein normales Leben zurück. Er hatte eine grandiose Erfahrung gemacht, hatte etwas einmaliges erlebt, sein Leben war reicher und besser geworden, denn tatsächlich waren all die Plagen verschwunden, die er zuvor erlitten hatte, zum größten Teil jedenfalls und ohne Garantie, aber was soll's. Maria Trost hatte ihn in der Tat mehr als getröstet. Was mit der kleinen Bedienung geschah, erfuhr er nie, er versuchte es auch gar nicht. Und noch etwas muss an dieser Stelle gesagt werden. Einen solchen Tag des Exzesses, gab es natürlich nie mehr in seinem Leben und die geheimnisvolle Kraft, die ihn kurzzeitig zu einem Verführer par excellence gemacht hatte, verlor sich rasch wieder, genau, wie es der Heiler prophezeit hatte. Er wirkte auf Frauen so, wie in all den Jahren zuvor, wie ein durchaus stattlicher, ansehnlicher Mann, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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