Marie entdeckt ihre Leidenschaft

39 4-7 Minuten 0 Kommentare
Marie entdeckt ihre Leidenschaft

Marie entdeckt ihre Leidenschaft

Andreas

Das riesige Landgut lag im damaligen Ostpreußen, nahe der polnischen Grenze. Es schneite ununterbrochen an diesem kalten Januartag im Jahre 1920. Die Äcker waren tief gefroren und es schien, als wäre das ganze weite Land einem unwirklichen Wintertraum entsprungen. Marie Juliane von Erlbach blickte nachdenklich aus dem Fenster. Sie sehnte sich nach wärmeren Tagen, nach der Sonne und lauen Abenden unter blühenden Kirschbäumen. Sie seufzte, während sie den fallenden Schneeflocken zusah. Der Winter würde andauern und ihre Langeweile auch. Marie hatte im November ihren zwanzigsten Geburtstag gefeiert, zusammen mit ihren Eltern und der zum Teil von weit her gereisten Verwandtschaft. Es war ein schönes Fest gewesen und sie lächelte, als sie daran dachte. Sie hatte mit einigen jungen Männern getanzt, darunter Cousins und andere entfernte Verwandte, allesamt nett, aber zu Maries Leidwesen meist nichtssagende Langweiler.

Einer jedoch, hatte ihr Interesse geweckt. Friedrich Falkmann, sechs Jahre älter als sie, und der Sohn eines mit ihrem Vater befreundeten Junkers. Wie er sie angesehen hatte, als die Kapelle einen Walzer spielte und er sie behände über das Parkett des großen Saals führte. In seinen tiefblauen Augen spiegelte sich ihre Sehnsucht, ihr erwachendes Verlangen und sie konnte ihn einfach nicht vergessen. Wäre sie doch schon gänzlich erwachsen, nur ein einziges Jahr trennte sie noch von der ersehnten Unabhängigkeit. Es ärgerte sie, dass sie trotz ihrer zwanzig Lenze noch immer als Backfisch wahrgenommen wurde. Am schlimmsten schmerzte sie der Umstand, einer sogenannten Gouvernante gehorchen zu müssen. Diese Anstandsdame klebte wie Pech an dem armen Mädchen, ließ sie nie aus den Augen und verdarb ihr mit ihrer Penetranz jeglichen Spaß. Ihr Name war Dora Jansen, 45 Jahre alt, aus der Gegend um Bremerhaven stammend. Das unverheiratete Fräulein hatte beste Referenzen und Franz von Erlbach, Maries Papa, übertrug ihr den Auftrag, sich um den letzten Schliff in der Erziehung seiner Tochter zu kümmern. Solange sie unverheiratet und im Hause der Eltern lebte, hatte sie diesen Umstand zu akzeptieren. Leider war Fräulein Jansen schrecklich altmodisch und darüber hinaus furchtbar streng.

Klicke auf das Herz, wenn
Dir die Geschichte gefällt
Zugriffe gesamt: 21339

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen.

Gedichte auf den Leib geschrieben