Maries Sommerkleid, in warmen Pastelltönen verlieh ihr eine elegante Erscheinung. Doras Miene hellte sich umgehend auf.
„Marie? Was treibt Dich zu mir, so früh am Morgen?“ Die junge Frau setzte sich auf das Bett ihrer Gouvernante. Dora bemerkte, dass sie es vorsichtig tat. Marie sah sie an, als grüble sie über etwas.
„Ich komme wegen Deines Versprechens. Du sagtest, dass Du mir etwas schuldest…“ Dora setzte sich neben sie. Sie gab Marie einen zarten Kuss auf die Wange. „Oh ja, das habe ich gesagt und ich halte mein Wort! Sag mir mein Schatz, was soll ich für Dich tun?“ Marie wurde rot, konnte es nicht verbergen. Sie musste es aussprechen, es ging nicht anders. Endlich schaffte sie es, sagte alles:
„Ich liebe Euch beide, Dich und Fritz! Er kommt in drei Wochen, um mich zu sehen. Ich habe ihm alles geschrieben, auch über uns beide, Dora. Wir haben uns Anfang Mai heimlich getroffen. Ich war die ganze Nacht bei ihm. Wir haben uns liebkost, gestreichelt, aber nicht miteinander geschlafen. Ich will, dass Du es erfährst. Deshalb bin ich hier!“ Dora erstaunte Maries Ehrlichkeit. Sie drückte das Mädchen fest an sich. „Danke, dass Du es mir erzählt hast. Du beeindruckst mich sehr, kleine Marie. Aber sag, was wünscht Du Dir denn nun von mir?“ Marie schmiegte sich an ihre Geliebte. Sie zögerte mit der Antwort, spürte ihr klopfendes Herz. Doras Zärtlichkeit gab den Ausschlag. Marie wurde bewusst, dass sie ihr alles sagen konnte. Der entschlossene Klang ihrer Stimme ließ keine Zweifel zu.
„Ich will mit Fritz schlafen, ihn endlich ganz in mir spüren. Wirst Du bei mir sein, wenn es geschieht?“
Ein Gefühl der Ergriffenheit überkam die Gouvernante. Sie liebte dieses Mädchen, in dem sie anfangs nicht mehr, als einen netten Zeitvertreib gesehen hatte. Dora wurde ein wenig traurig. Sie würde ihre Liebe mit der des jungen Mannes teilen müssen. Aber das war sie Marie schuldig. Außerdem blieb sie ja ihre Erzieherin, zumindest bis Ende des Jahres. Sie drückte Marie an sich, flüsterte ihr verschwörerisch zu: „Ja Marie, das werde ich! Dass Du mich dabei haben willst – Es erfüllt mich mit Stolz. Dein Fritz ist ein echter Glückspilz, aber was sagt er denn zu Deinem besonderen Wunsch?“ Maries Augen blitzten. Das Feuer war entfacht, nun brauchte es Nahrung. Sie hauchte verführerisch.
„Er weiß nichts davon. Ich möchte ihn mit Deiner Anwesenheit überraschen. Oh Dora, ich bin so aufgeregt!“ Dora legte die Hand an ihre Schläfe, beruhigte sie. „Alles wird gut, mein Engel. Alles…!“
Marie wusste, dass sie recht hatte. Eine besondere Nacht stand bevor, die wichtigste ihres Lebens.
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