Marie-Lou, die Bäckerin

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Marie-Lou, die Bäckerin

Marie-Lou, die Bäckerin

Anita Isiris

Und in allem, allem lag der Zauber von Marie-Lous Händen, und der Zauber der Hände ihrer Arbeitskolleginnen, die beachtlich mehr Routine hatten als unser Schätzchen. Marie-Lou öffnete den obersten Knopf ihrer Schürze, atmete tief durch und sortierte die Brötchen, die, noch warm, auf einem riesigen Blech lagen. Sie bückte sich, und wäre ein Mann hinter ihr gestanden, er hätte sich der Augenweide ihres kugelrunden Hinterns nicht entziehen können. Auch Frauen mochten Marie-Lou, klar, aber der visuelle Reiz, die einfachen, klaren Formen waren wohl doch eher etwas, das Männerhirne zum Tanzen brachte.

Tina hatte es auf Marie-Lou abgesehen. „Mach vorwärts; wir können nicht so lange auf die Brötchen warten“, sagte sie mit schnippischem Unterton und liess durchblicken, dass sie schon lange im Geschäft war und flink, behände und kulant. Sie füllte ihre Kleider kaum aus, dafür liess der Stoff ihrer weissen Hose Platz im Schritt und sie fühlte sich rundum sicher und wohl.

Für sie war die „Neue“ eine Art Aschenputtel, jemand, der einfach gequält werden musste, jemand, den man demütigen konnte – um selber besser da zu stehen, und vielleicht auch, um sich selber einen kleinen Lustgewinn zu ermöglichen.

In „Bettinas Backstube“ arbeiteten nur Frauen, alles ehemalige Krankenschwestern, Tierhändlerinnen und Abbruch-Studentinnen auf der Suche nach einem glücklicheren, erfüllteren Leben als dem, das sie verlassen hatten als sie erstmals in Bettinas Backstube arbeiteten.

Den Frauen war eines gemeinsam, und vielleicht lag es am schweren, süffigen Schokoladeduft, der schon frühmorgens den Raum erfüllte: Sie liebten das Körperliche, das Nahe, das Warme, das Innige, das Feuchte. Sie liebten das, was ihnen ihre Männer zuhause nicht bieten konnten. Sie liebten das Unmittelbare, das Überraschende, das Sahnige, das Süsse.

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