Marie-Lou, die Bäckerin

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Marie-Lou, die Bäckerin

Marie-Lou, die Bäckerin

Anita Isiris

Marie-Lou war die Neue. Unbeholfen stand sie in der Backstube, und ihre Schürze war viel zu eng geschnitten. Das war nicht nur unbequem – Marie-Lou schämte sich für ihre üppige Figur. Die Brüste liessen sich so kaum verbergen – vom Hintern ganz zu schweigen. Marie-Lou gehörte zu den Frauen, die schön sind, ohne dass sie es ahnen. Das macht sie unwiderstehlich, diese Frauen. Dunkelbraunes, langes, volles Haar mit zwei neckischen blonden Strähnen, sturmaufdemmeerblaue Augen, ihr breiter Mund und ihr rundes Kinn machten sie zum wahren Prototypen einer Bäckerin, und ihre Hände brachten alle zum Schweigen.

Marie-Lous Hände. Sie waren auffallend gross, im Moment gerötet, weil sie sie soeben gründlich geschrubbt hatte, und es waren Hände, die nicht nur arbeiten, Bananen schälen und Mehl bereitstellen konnten. Es waren auch Hände, die streicheln konnten, liebkosen, und die drei Schwänze, die sie in ihrem 23jährigen Leben bisher massiert hatte, waren wohl die Glücklichsten dieser Erde.

Nicht nur Marie-Lous Gesicht strahlte ein gewisses Etwas aus, sondern eben auch ihre Hände. Während ihre Mimik Unsicherheit verriet und Marie-Lou bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Blick senkte, wirkten ihre Hände geradezu obszön lebenserfahren. Nichts war ihnen fremd, diesen Händen, auch Klavier gespielt hatten sie schon, schwere Einkaufstaschen getragen hatten sie, und, ja, Marie-Lous Hände kannten auch deren Körper, jeden Winkel, jede Falte, ihre Finger kannten genau die warme Feuchtigkeit, die entstand, wenn Marie-Lou sich selber streichelte.

Der Verkaufsraum füllte sich langsam mit den ersten Kunden, die nichts anderes wollten als Brötchen zu ihrem Kaffee. Die Anspruchsvolleren kamen später, und sie gaben viel Geld aus für Mousse au Chocolat, Baisers und Schwarzwäldertorte. Am Mittag räumten die Studenten den Laden leer: Ciabatta, Salamisandwiches, Mischsalat mit hausgemachter Sauce.

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