Marie und das Waisenmädchen

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Marie und das Waisenmädchen

Marie und das Waisenmädchen

Andreas

„Sehr gerne, Fräulein Marie! Ich schneide gleich morgen ein paar Zweige zurecht. Wenn sie wollen, können sie die Rute dann am Abend bei mir abholen.“ Marie bedankte sich bei dem amüsiert wirkenden Mann. Die Aussicht auf eine Birkenrute schenkte ihr ein beruhigendes Gefühl. Marie rang mit sich, ob sie das Birkenlieschen überhaupt anwenden sollte. Sie machte es von Elenoras Betragen abhängig. So hatte es Marie von Dora gelernt, ja sogar auf der eigenen Haut gespürt. „Die Ungezogenheit bestimmt die Strafe, das hat Dora immer betont. Warte nur, Mädel. Wenn du nicht hören magst! Ich werde dir deutlich zeigen, was eine strenge Strafe bedeutet…“
Marie lächelte, während sie dieses Selbstgespräch führte. Marie gehörte zu den weltoffenen, toleranten Frauen, die das Muffige der Kaiserzeit überwinden wollten. Dennoch galten für sie bestimmte Grundsätze, zu denen das Beharren auf Selbstdisziplin unbedingt dazu gehörte. Elenora zeigte einen erheblichen Mangel an dieser Eigenschaft. Marie wollte dies nicht tatenlos hinnehmen.

Marie liebte Vergnügungen jeder Art, die sie gerne mit geliebten Menschen teilte. Sie nahm aber auch eine Veränderung an sich wahr, die den härter werdenden Zeiten geschuldet war. Der öffentliche Diskurs verschob sich, wobei immer starrere Frontlinien auftauchten. Marie spürte, dass es nicht reichte, nur dem Eskapismus zu huldigen. In diesen schwierigen Monaten brauchte es Zuversicht, die sie auch von ihrem Waisenmädchen verlangte. Als die Köchin erneut etwas zu beanstanden hatte, war es an der Zeit, um zu handeln. Marie besuchte Eleonora auf ihrem Zimmer, das sie mit Julchen teilte.

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