Marie und das Waisenmädchen

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Marie und das Waisenmädchen

Marie und das Waisenmädchen

Andreas

Elenora verstand den stark schlesisch geprägten Dialekt der dicken Köchin. Dass sie Elle als “Marjellche“ bezeichnete, konnte nur bedeuten, dass auch die Köchin mütterliche Gefühle für das Mädchen hegte. Dass die Mamsell in ihr ein kleines Mädel sah, störte Elle weniger. Die Anspielung auf ihr verhauenes Hinterteil schmerzte da schon mehr. Die Aussicht auf köstliche Pellkartoffeln linderte diese Beschämung. Elle spürte ein Hungergefühl, da sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Das lebhafte Mädchen spürte ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit, das sie lange vermisst hatte. Elle umarmte die Köchin, die ihrerseits das Mädchen an ihre Brust drückte. Die Küchenmeisterin freute sich aufrichtig. Endlich war bei der Kleinen der Groschen gefallen! Die erfahrene Frau ahnte aber auch, dass es noch weiterer Bemühungen bedurfte. Marjellche wie Elle brauchten mitunter eine eindrückliche Erinnerung, die am besten auf der hinteren Seite wirkte. Elle spürte ein zartes Klapsen, das ihr die Schamröte ins Gesicht trieb. Von heute an schien nicht nur Marie zu wissen, wie Elenora beizukommen war. Die junge Frau wusste nicht so recht, ob sie sich darüber freuen sollte. Sie entzog sich der Köchin, um einen Topf mit Wasser zu füllen. Elles Eifer entlockte der Küchenchefin einen launigen Kommentar: „Was so ein Popovoll alles bewirken kann!“
Währenddessen verfolgte Marie die Nachrichten. Seit der Volksabstimmung im Jahre 1920 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen. Durch den Vertrag von Versailles kam es zum Polnischen Korridor, der Ostpreußen vom Deutschen Reich trennte und Polen den Zugang zur Ostsee möglich machte. Durch den dadurch bedingten Preisverfall für die produzierten Lebensmittel gerieten auch die Gutshöfe in Bedrängnis. Die Weimarer Regierung rief auch deswegen eine “Osthilfe“ ins Leben. Durch diese Steuersenkungen und Kreditmöglichkeiten überlebte die einstige Kornkammer des Reiches.

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