Wie oft hatte sie dort hinausgesehen, wenn die trüben Gedanken überhandnahmen? Marie wusste es nicht.
Friedrichs Antwort konnte ihr Klarheit bringen, die ihr in dieser Zeit notwendig erschien. Marie hoffte auf ein Zeichen ihres früheren Verlobten. Sie gestand sich ein, dass sie noch immer viel für ihn empfand. Marie schloss das Fenster, nachdem sie die Glut der Zigarette gelöscht hatte. Nun hieß es abwarten. Marie fühlte sich alleine, da weder Dora noch Fritz zugegen waren. Sie seufzte tief. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Marie hatte ja noch Elenora. Das süße Mädel konnte ihr sicher die Zeit verkürzen, wobei Marie Elle sehr lieb hatte. „Dann kümmere ich mich eben etwas intensiver um die Kleine!“ flüsterte Marie, die dabei ihrem Spiegelbild ein schelmisches Lächeln schenkte.
Seit Maries Lehrerinnentätigkeit, die sie in Berlin verfeinert hatte, gefiel ihr die Vorstellung, einem Mädchen erzieherisch beizustehen. Marie nahm sich fest vor, Elle an die Kandare zu nehmen, wenn es denn nötig war. Das Mädel schien es an Frechheit mit ihrem jüngeren Ich aufnehmen zu können. Marie musste Elle sicherlich noch manches Mal übers Knie legen, wobei sie nicht sicher war, ob dies ausreichen würde. Marie öffnete eine bestimmte Tür ihres Kleiderschranks. Dort hingen zwei nagelneue Ruten, die Heinrich geschaffen hatte. Marie entdeckte Doras Tawse, die neben einem breiten Paddle lag. Ihre Augen blitzten, als sie den gelben Onkel entdeckte, der an einem Haken in der Nähe der Reitgerte hing. Derart gerüstet, stand Elenoras Erziehung nichts mehr im Wege. Marie ertappte sich bei dem Wunsch, die junge Frau alsbald strafen zu dürfen. Wann es so weit war, lag an Elles Verhalten. Marie hoffte sehr, dass dieses schon in naher Zukunft zu wünschen übrig ließ.
„Dein süßer Po wird vor meiner Hand kaum noch Ruhe haben, du vorwitziges Luder!“ lautete Maries Schwur. Mit einem gelösten Gesichtsausdruck legte sie sich auf die Couch. Marie gähnte, ehe sie die Müdigkeit übermannte. Sie atmete gleichmäßig, um bald tief und fest zu schlafen. Marie träumte süß.
Marie und das Waisenmädchen
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Marie und das Waisenmädchen
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