Maries Dilemma

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Maries Dilemma

Maries Dilemma

Andreas

Marie gab die höfliche Gastgeberin. Sie wies Geros Dienstmädchen an, Kaffee und Kuchen aufzutragen, nachdem die Gäste Platz genommen hatten. Als alle bei Tisch saßen, flüsterte Geros Diener Olaf seinem Herrn etwas zu. Gero lächelte. „Olaf hat mir soeben mitgeteilt, dass unser letzter Gast doch noch eingetroffen ist. Dürfte ich sie kurz allein lassen, um ihn angemessen zu begrüßen und ihm gegebenenfalls aus dem Mantel zu helfen?“

Gero erhob sich von seinem Stuhl. Marie fragte sich, wen er noch erwartete. Gero hatte mit keinem Wort erwähnt, dass noch jemand auf seiner Gästeliste fehlte. Einen Moment später betrat er wieder den Salon. An seiner Seite befand sich eine attraktive Frau. Sie trug nicht nur ihr blondes Haar im Stil der jüngsten Mode, auch ihr kurzes Kleid entsprach den angesagten Schnitten der diesjährigen Saison. Gero stellte sie als Frau Agatha Braunwarth vor, der Witwe eines bekannten Zeitungsverlegers. Diese Dame dürfte nicht älter als 45 sein, schätzte Marie im Geheimen. Dabei lag Marie falsch, da Agatha bereits das fünfte Jahrzehnt überschritten hatte. Sie schüttelte Maries Hand, wobei sie ein gewinnendes Lächeln zeigte. Bei Tisch stellte sich heraus, dass Rudolf Brandt als Journalist für den Verlag der Witwe arbeitete. Dabei schrieb er vor allem für eine populäre Zeitung namens “Das Preußische Tagblatt“. Gero las diese Zeitung gerne und vor allem Herrn Brandts Kolumne, in der er sich ausgiebig mit dem Reichstag beschäftigte. Marie fühlte sich unwohl. Ihr Vater zählte selbst zu den Konservativen im Lande, die mit der jungen Republik fremdelten. Die hier Anwesenden hegten dagegen einen tiefen, offensichtlichen Groll gegen das demokratisch gewählte Parlament, der Maries Unbehagen noch weiter verstärkte. Besonders General Kiesäcker tat sich mit Schimpftiraden hervor, die sich allesamt auf den verlorenen Krieg bezogen.

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