Die Sandbahn war sehr gepflegt und möglicherweise erst am Nachmittag eingeebnet worden – auf dass die Kugeln perfekt rollen würden. „Voilà le cochonnet“, sagte Professor Brenner und hob mit bedeutungsvoller Geste eine kleine Metallkugel in die Höhe.
Bereits 460 v. Christus ist eine Empfehlung griechischer Ärzte (u. a. von Hippokrates) für das Spiel mit Steinkugeln nachweisbar. Im 2. Jahrhundert nach Christus beschrieb Iulius Pollux ein Spiel, bei dem Kugeln auf einen Ziegelstein geworfen wurden; der Verlierer des Spiels musste den Sieger auf den Schultern ins Ziel tragen. Boccia und Boule Lyonnaise haben ihre gemeinsamen Wurzeln in diesem im Römischen Reich verbreiteten Spiel. Die Wurzeln von Bowls lassen sich bis ins London des 12./13. Jahrhunderts zurückverfolgen.
Rund um das Boule-Spiel ranken sich, wie ich das in Südfrankreich erlebt habe, die Sagen und Mythen um das so genannte „Fanny küssen“.
Dabei geht es nicht etwa um eine Belohnung. „Fanny küssen“ bedeutet, dass man ein Spiel 0:13 verloren hat!
Der Brauch stammt angeblich aus Savoyen. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg gab es im Café von Grand-Lemps eine Kellnerin namens Fanny. Der Legende nach durften Kunden, die beim Boulespiel verloren hatten, ohne auch nur einen Punkt erzielt zu haben, ihr zum Trost einen Kuss geben - einen auf jede Wange, wie es sich gehört.
Eines Tages verlor auch den Bürgermeister von Grand-Lemps ein Spiel, und er wollte sich ebenfalls von Fanny trösten lassen. Ob Fanny nun etwas gegen ihn hatte oder ihn nur öffentlich bloßstellen wollte, ist nicht bekannt. Jedenfalls stellte sie sich auf einen Stuhl, hob ihren Rock hoch und streckte dem Bürgermeister ihren Hintern entgegen! Der Bürgermeister gab Fanny zwei herzhafte Küsse - auf den Po!
Da nicht immer eine Fanny zur Stelle ist, die bereitwillig ihren Arsch zur Verfügung stellt, ist es Sitte, überall dort, wo Boule gespielt wird, eine Fanny parat zu haben. Die unglücklichen Verlierer müssen dann in aller Öffentlichkeit einen Fannyhintern in Form eines Gemäldes oder einer Skulptur küssen.
So wurde aus dem einstigen Trost die "schlimmste" Strafe für jeden Boulisten!
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