Wenig später entdeckten wir Rahels Vater, perfekt gekleidet im hellgrauen Smoking, am Buffet. Er angelte sich ein paar Garnelen, Grapefruit, Senffrüchte, Safranreis und liess sich von meiner Freundin Rita ein Glas Rosé einschenken. Professor Brenner tat, als sei da nie etwas gewesen. „Gefällt es Euch?“, fragte er mich und setzte sein distinguiertestes Lächeln auf. Niemand von uns hätte gewagt, ihn auf sein Treiben am Schlafzimmerfenster anzusprechen. Er war Mr. Hyde gewesen da oben, aber jetzt war er da unten Dr. Jekyll, der nette, schwerreiche Gastgeber, der uns mit seinem Charme umgarnte.
Im Grunde mag ich Professor Brenners Generation. Das Versaute spielt sich im Hintergrund ab. Vordergründig handelt es sich bei den 1930er Jahrgängen um Gentlemen, Patrons, Ehrenmänner. Oft wussten aber nicht einmal ihre Ehefrauen, ob jede Geschäftsreise wirklich eine solche war – die Gattinnen litten still vor sich hin und drückten beide Augen zu. Es war die Zeit der intakten Ehen gewesen. Wie Graugänse waren sie sich treu, die 1930er, und begingen Seitensprünge nur in der für sie typischen Diskretion – wenn überhaupt.
„Allez, on joue aux pétanques“, forderte Professor Brenner uns auf. « Pétanques ». Ich hatte das Wort noch nie gehört. Aber mindestens sechs von uns folgten dem vitalen Mann in einen durch Olivenbäume abgegrenzten Bereich des Parks, dorthin, wo sich eine Boules-Bahn, besser bekannt als Boccia-Bahn, erstreckte. Knapp erklärte Brenner die Regeln, und wie aus heiterem Himmel lagen da auf einmal zwölf silberne Kugeln, die verführerisch im Mondlicht glitzerten.
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