Marisa und der geile Mönch

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Marisa und der geile Mönch

Marisa und der geile Mönch

Anita Isiris

Die Zeit floss dahin, und das Leben bot mir, wenn ich ehrlich bin, nicht die Aufregung, die ich mir von ihm erhofft hatte. Achtzehn Jahre verbrachte ich zuhause, teilte Zimmer und Bett mit fünf meiner Schwestern und kämpfte jeden Tag stärker gegen die Hoffnungslosigkeit, die sich vor mir auftat. Nach und nach zogen meine Schwestern aus, und da kam der Tag, an dem meine Mutter mit rot geweinten Augen meine selbst genähte Tasche packte. «Es wird Dir bessergehen», seufzte sie, «viel, viel besser als bei uns». Das waren ihre abschliessenden Worte. Sie drückte mich, die Ahnungslose, an sich, reichte mir die Hand und führte mich nach draussen, wo Vater mit einem kleinen Pferdefuhrwerk auf mich wartete. «Wohin…», fragte ich verwirrt, wohl ahnend, dass es sich hier um einen Abschied für immer handelte. Ich zwängte mich auf einen schmalen Sitz, blickte zurück und sah meine schluchzende Mutter, die mir mit einem Taschentuch winkte. Vater redete kein Wort; ohnehin hatte ich den Eindruck, dass er in den letzten Wochen immer verschlossener wurde. Ich schrieb das der «grünen Fee» zu und vermutete, dass diese im Lauf der Zeit auch den Geist der Trinker beeinträchtigte, und ergab mich meinem Schicksal. Den Weg kannte ich nur allzu gut, er führte aus dem Dorf heraus, vorbei an wogenden, reifen Ären, dann verschmälerte er sich zu einem Pfad und wir rollten in den Zehenderwald, in dem ich mit meinen Schwestern so oft Verstecken gespielt hatte, zwischen duftenden Pilzen, Farnen und Ehrfurcht heischenden Bäumen.

Vater auf dem Kutschbock würdigte mich keines Blicks, wandte sich kein einziges Mal zu mir um. Das Gefährt beschleunigte, und rund um uns brach langsam, aber unaufhaltsam die Dunkelheit herein. Längst hatten wir den Zehenderwald verlassen, und ich wurde zunehmend orientierungslos. Möglich, dass ich, trotz meiner Aufregung, kurz eingenickt war – jedenfalls wurde ich wachgerüttelt, als das Gefährt abrupt abbremste. Wir standen vor einem gewaltigen Bau mit einem schweren, schmiedeeisernen Tor. Das Zehenderkloster! Immer wieder hatte ich davon gehört, gerüchteweise, aber ich wusste nie, ob es tatsächlich existierte oder nur ein Gebilde war in den Phantasien der Dorfbewohner, von denen es kaum einer weiter als bis zum Zehenderwald geschafft hatte.

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