Marisa und der geile Mönch

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Marisa und der geile Mönch

Marisa und der geile Mönch

Anita Isiris

Ich bin die Jüngste von sieben Kindern und in einer Kate am Dorfrand aufgewachsen. Dorfrand bedeutet auch «Rand der Gesellschaft», wie meine sechs Schwestern und ich immer wieder aufs Schmerzlichste erfahren mussten. Kaum liessen sich unter unseren leinenen Kleidern die Ansätze von Brüsten erahnen, stellten sie uns auch schon nach, die Männer. Am Dorfbrunnen. Im Stall. Auf dem Dorfball, sowieso. Unser Vater, ein Schneider, konnte uns durchaus ernähren – und zumindest hatten wir immer etwas Anständiges zum Anziehen. Zwischendurch verfiel er aber dem Alkohol, der grünen Fee, um hier genau zu sein, und so gab es Monate, in denen wir hungerten, froren und unter der schwach flackernden Petroleumfunzel kaum die Augen offenhalten konnten, während wir für die Schule lasen, rechneten oder schrieben. Zumindest würden wir alle sieben einen Grundschulabschluss erlangen – wohl aber im Wissen, dass für uns danach ein Leben in Demut und harter Arbeit wartete. Träumen war erlaubt, klar, und in lichten Momenten bemühte sich unser Vater, uns in Traumwelten zu entführen – in von ihm selber erfundenen Märchen mit Rittern, Prinzen oder reichen Geschäftsherren als Hauptprotagonisten. Wir waren alle sieben sehr hübsch, was ich ohne Einbildung sagen darf. Das dichte, gelockte Haar hatten wir von unserer Mutter, ebenso die trotzig geschwungenen Lippen. Ebenso hörten unsere Brüste nicht auf zu wachsen, und bereits als wir so an die achtzehn Jahre alt waren, hingen sie schwer wie Trauben – die Männer brauchten sie nur noch zu pflücken, wenn man so will. Den Stolz aber hatten wir vom Vater. Keiner durfte uns ungestraft an die Wäsche gehen, und Sophia, meine älteste Schwester, musste eine ganze Nacht, nur mit Unterwäsche bekleidet, im ungeheizten Dorfgefängnis verbringen, weil sie dem Bäcker, der ihr an die Wäsche gehen wollte, eine geklebt hatte – und das in aller Öffentlichkeit, direkt vor seinem Laden.

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