Martinas Ostereier

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Martinas Ostereier

Martinas Ostereier

Anita Isiris

Nun begab es sich, dass Lukas, der Stallmeister, längst ein Auge auf Martina geworfen hatte, egal, ob sie sich in stumpfes Grau kleidete, egal, ob sie ihr Haar mit Mehl bestäubte, damit es in der Sonne nicht leuchtete, egal, ob sie den Blick senkte, damit die Männer sich nicht etwa von ihren kornblumenblauen Augen hypnotisieren liessen. Lukas war ein Womanizer früher Jahre, und solchen Männern war es beschieden, die Schönheit der Frauen immer zu entdecken – einer Wünschelrute gleich, die über Wasseradern zuckte. Lukas’ Wünschelrute war schon in mancher Mägdevagina zugegen gewesen, er hatte seine Lenden schon an zahllose Frauen gepresst, auch an diejenigen der Burgfräuleins. Lukas war ein wahrer Frauenkörperexperte, was natürlich dem Burgherrn nicht zu Ohren kommen durfte. Lukas wäre an einen Pfahl gebunden und gnadenlos ausgepeitscht worden.

Also hielten die Frauen am Hof dicht, um Lukas’ Expertise positiv auf sich einwirken zu lassen, um das mal so zu formulieren. Was für Lukas sprach, waren zwei Aspekte: Er achtete penibel auf Körperhygiene, was im 16. Jahrhundert alles andere als selbstverständlich war. Trotz seiner täglichen Arbeit im Stall, trotz Kuhmist und Pferdedung, machte er sich immer frisch, bevor er sich eine Frau nahm. Er schwamm im nahegelegenen See und spülte sich so die Stallgerüche vom Leib. Sein zweiter Vorteil, der ihm einen ewigen Platz in den Frauenherzen sicherte, war, dass er etwas entdeckt hatte: Lukas hatte sich, entgegen dem damaligen und bis heute andauernden Credo, dass das Jungfernhäutchen, das Hymen, durchstossen werden muss, ein spezielles Penetrationsverfahren angeeignet. Wenn er in eine bis anhin unberührte Frau eindrang, was nicht selten der Fall war, fügte er ihr keine Schmerzen zu und das Hymen blieb intakt. Lukas hatte die tiefen Geheimnisse weiblicher Seelen – und damit auch das Geheimnis der Vulva entdeckt. Frauen lieben Geschichten, und während sie tagsüber gerne aktiv kommunizieren, wollten sie im Bett eher zuhören, das dichte, schöne Haar übers Kopfkissen gebreitet, mit entspannten Gesichtszügen und bis zum Sternum aufgeknöpftem Nachthemd. Sie mochten die Erzählungen, mal zärtlich, mal deftig endend, die der erfinderische Lukas ihnen ins Ohr flüsterte. Dabei wurden sie nicht nur feucht, sondern klitschnass zwischen den Beinen. Lukas, der Experte, betastete dann kenntnisreich die Vulva der zu liebenden Frau und erkannte den Moment, in dem er eindringen konnte. Vorsichtig dehnte er das Kränzchen, das bis heute viele Menschen irrtümlicherweise als Häutchen bezeichnen, und führte seine Wünschelrute ein. Dann verharrte er still, genoss die glänzenden Augen der Gespielin und schob sich tiefer hinein, mit der gebotenen Sorgfalt und Zärtlichkeit. Wenn sich das Burgfräulein oder die Magd unter ihm zu winden begann, war das für Lukas das Zeichen, weiter zu machen und sein eigenes Becken in Fahrt zu bringen. Zahllose Frauen hatte er bisher nicht nur in den siebten, sondern auch in den achten, neunten oder zehnten Himmel gevögelt, und keiner hatte er die so genannte Jungfräulichkeit genommen. Alles blieb intakt, kein Blut, gar nichts. Lukas’ Hypothese war, dass so die Jungfräulichkeit theoretisch, mal abgesehen von einer Geburt, ein ganzes Frauenleben lang intakt bleiben konnte, wenn der Mann nur genügend Geduld aufbrachte, um die Vulva zum Glühen zu bringen.

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