Kommissar Pronto schaute im Labor nachdenklich auf eine Leiche, die mehrere Wochen im Teltowkanal gelegen hatte: Die Striemen am Gesäß waren keine Todesursache, obwohl, da musste jemand eine starke Absicht gehabt haben. Mehrere Piercings waren am Hodensack auffallend tief in die Haut gesetzt. Auf einem Stuhl zusammengeknüllt lag die schlammverschmierte schwarze Lederkluft, arg verschlissen und mit Algen bedeckt. Eine Fahrkarte aus der Hosentasche des Opfers war entwertet worden, am: „7. 5. 2032“.
Prontos von Falten zerfurchtes Gesicht schien noch düsterer zu werden, als er den Laborbericht las: Im Magen- und Darminhalt waren Haare von verschiedenen Menschen, noch dazu Haare von einer dunkelbraunen Bulldogge und einer rothaarigen Promenadenmischung. Pronto erinnerte sich, als er damals zur Jahrtausendwende seinen Job begann, da waren Todesfälle mit solchen Indizien eher selten. Zwar wurden – damals noch „peinliche“ – Details meist mit Sorgfalt geheim gehalten, aber als Insider kannte er die Berichte.
Auf der Liste der vermissten Personen passenden Alters stand nur ein Name, Harald Moosheimer, wohnhaft in einer kleinen 2-Zimmer-Wohnung in der Nollendorfstraße in Berlin-Schöneberg. Pronto holte sich den Schlüssel von der Hausverwaltung, schloss die Wohnungstür auf – und wurde lebhaft begrüßt von einer dunkelbraunen Bulldogge, einem kräftigen Rüden, der war allein in der Wohnung, schien aber gut versorgt zu sein; auffallend waren einige Schnittwunden im Fell.
Alle Lichtschalter zusammen ergaben nur eine düstere Beleuchtung und auch der Blick auf den schwer zugänglichen kleinen Hinterhof war düster. Wenn man steil an den engen Wänden nach oben schaute, war ein kleiner Ausschnitt mit Wolken und einer Baumkrone zu sehen.
Sauber gepflegt waren die abwaschbaren Matratzenlager, ebenso in beiden Zimmern verstreut schwarze T-Shirts und abgenutzte Lederkleidung. In einer offenen Kommodenschublade lagen alte Spritzen und kleine Plastiktütchen mit Pulver.
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