Wenn ich ihn so ansehe, gehen mir die unmöglichsten Dinge durch den Kopf.
Prinz, mein süßer Prinz…
Da denke ich, morgens, wenn er für eine dreiviertel Stunde das Badezimmer blockiert:
"Gott, wie kann sich ein Kerl nur so anmalen? Ist das Naivität oder braucht er wirklich einen Arzt?"
Kurz darauf schiebt er die Tür auf.
Einen Augenaufschlag später und das alles mit diesen großen blau-grünen Kleinerjungeaugen, habe ich ein schlechtes Gewissen und sehe ihn mir an.
Mit seinen schwarz lackierten Nägeln, dem blass durchscheinendem Gesicht und dem Schmollmund.
Ich kann ihn unmöglich dafür anmeckern, dass dieses zarte Wesen so lang dafür gebraucht hat, den bezaubernden Schlaf aus dem viel zu hübschen Gesicht zu waschen.
Nachdem ich meinen Lippenstift nicht finden kann und nicht anders kann, als ihn zu verdächtigen, geht mir durch den Kopf:
"Wer hat einem Kerl eigentlich erlaubt so unverschämt lange Wimpern zu haben? Der müsste sie nicht mal Tuschen, damit sie ihm bis auf die Wangenknochen reichen.
Und ich? ...ich brauche die doppelte Zeit als Frau, um nur halb so gut auszusehen wie er.
Das ist eine Gemeinheit."
Dann schütte ich sein Gesichtswasser in den Abguss und reibe mir die Hände.
Die Standpauke habe ich mir schon zurechtgelegt.
Siegessicher stampfe ich zum Frühstück…
Branden sitz am Tisch, die Beine auf dem Stuhl gekreuzt, lehnt sich zu Spoks rüber, küsst ihn hungrig.
Seine Hand krallt sich in Spoks´ kurzes blondes Haar.
Ich seufze, dabei schmilzt mir fast das Herz.
Mein Gedanke:
"Er ist so sexy.
Selbst jetzt, wo er nicht mich sondern ihn küsst, spüre ich einen großen Appetit…möchte ihn am liebsten auf der Stelle…"
Standpauke fällt aus.
Stattdessen versinke ich in seinen verträumt abwesenden Augen, bis mein Kaffee gänzlich kalt und ungenießbar ist.
"Hey Dear, remember me." Haucht mir seine heißere Stimme entgegen.
Er sieht mich einen Moment an, lächelt fast.
Er hat den irrsinnigsten Mund, den je ein Mann haben durfte und wer ihn nicht küsst, sei es Mann oder Frau, ist eindeutig selbst schuld.
Ich erinnere mich an unseren ersten Kuss.
Damals dachten wir beide, es wäre nur für eine Nacht.
Ich hatte ja keine Ahnung, keine Hoffnung, dass ich instinktiv wüsste, was er braucht…
Wie ein gefrorenes Rosenblatt sieht er aus.
Es glänzt wunderbar, man möchte es berühren, wagt es aber dennoch nicht, aus Angst, es könne schmelzen und vertrocknen.
Aber er wollte nur ausleben, was so unmoralisch scheint.
Ich, mit meiner beinah biederen Art, zumindest mit ihm verglichen, passte so gar nicht zu ihm.
Wie er mich durch die Menge hin fixierte…?
Ich war mir nicht sicher, hätte nie geglaubt, dass er mich ansah.
Später, ich war auf dem Heimweg, stand er plötzlich vor mir, sah mich an, als verstünde er nicht, warum ich nicht geblieben war.
In meiner Aufregung versuchte ich ein Gespräch anzufangen, ihn mit meiner Intelligenz zu beeindrucken oder dem Charme, dem Witz, was auch immer.
Branden sagte kein Wort, ging neben mir her und betrachtete mich wie einen Vogel mit komischem Kopfputz.
Irgendwann standen wir vor meiner Wohnung.
Ich war sehr verunsichert.
Hatte die ganze Zeit geredet, er sagte nicht ein Wort.
Ich schloss die Tür auf, fragte artig, ob er kurz mit herein kommen wolle.
Und dieses Lächeln werde ich nie vergessen.
Sein schiefes Grinsen, beinah amüsiert.
Stieß die Tür auf, folgte mir in mein bescheidenes Zimmer, sah sich nicht um.
Er beachtete nicht die selbstgenähten Vorhänge, nicht die witzigen Postkarten oder meine Hippiekultur, wovon die Möbel zeugten.
Lief mir hinterher, bis ich direkt vor dem Sofa stand, kaum mehr einen Schritt tun konnte, ohne nach hinten umzukippen.
Und er sah mich immer noch an.
Ich gab seinen verwunderten Blick zurück.
Und wie aufs Stichwort schob er mich auf die Couch, presste die sinnlichen Lippen auf meinen Mund…
Er war überhaupt nicht schwer, als er auf mir lag. Wie ein Engel, zu dünn geraten, samtweiche Haut, weiß und makellos.
Sein Atem berührte meinen Hals. Ich habe ihn kühl in Erinnerung. So kühl wie jeder Zentimeter seines Körpers.
In mir erwuchs der Wunsch ihn zu wärmen.
Ich küsste seine Schultern hauchzart. Strich mit den Fingern über seine Stirn und die hohen Wangen. Er seufzte erstaunt auf und mir schien es, als täte ich Dinge, die ich niemals mit einem Mann getan hätte.
Ich hatte die Spuren des Himbeerfarbenen Lipgloss am nächsten Morgen überall.
Es duftete alles nach Veilchenparfüm, Jojobaöl und Sperma.
Was ich auch immer getan hatte, es war, als schliefe ich zum ersten Mal mit einem Prinzen. Vielleicht gehen meine Fantasien zu weit, aber wie liebt man eine Frau?
Wie lieben sich zwei Frauen?
Wenn ich Brandens Schenkel küsste, war es, als wüsste ich, er würde es so empfinden wie ich. Ich tat alles genauso, wie ich es mir schon immer erträumt hatte.
Was auch immer dabei pervers scheint? Mir kam es so perfekt, so märchenhaft vor. Wie eine weißen Marmorhalle, umgeben von Aphrodites Schleier.
Seine Haut prickelte warm und wärmer unter meinen Lippen, sein Stöhnen war so wage, so ernsthaft und schön.
Mir war meine Erregung völlig egal.
Ich betrachtete, berührte und küsste dieses Kunstwerk aus Licht, Schatten, Seide und Lipgloss.
Er schloss die Augen. Federgrenze dunkler Wimpern wölbten sich über seine Wangen, dass es mir den Atem nahm.
Seine Lippen öffneten sich…
Als ich sein weiches Fleisch genoss, da keuchte er nicht, wie sonst ein Mann seiner Erregung Luft macht.
Es war eher ein Wimmern… im Grunde das beglückendste und lustvollste Geräusch, was ich je von einem anderen gehört hatte.
Die ganze Nacht taten wir Dinge, die unmöglich etwas mit Sex zu tun haben konnten.
Branden küsst Spoks.
Bei Spoks und Branden war es immer anders als bei uns.
Spoks hat so viel mehr Energie und Leidenschaft.
Er liebt Branden.
Nicht so wie ich.
Er ist mein Prinz, mein Augapfel, wie ein Kind mit zarter Seele, unverstanden, vergessen, zerbrechlich.
Spoks, glaube ich, möchte ihn besitzen, sich dieses Wesen zu Eigen machen. Vielleicht, weil er selbst nie so theatralisch sein kann?
Brandens Gefühlsausbrüche sind klassisch.
Er kann hysterisch kreischen, heulen wie ein Mädchen und albern sein, dass man sich teilweise schämt. Aber alles in allem ist er immer so wunderbar entrückt.
Nicht von dieser Welt.
Und Branden küsst Spoks.
Weiß nicht, dass er ihm verfällt. Das er ihm gehört, wenn er es will.
Aber was noch viel interessanter ist:
Spoks gehört Branden, ohne das der ihn will.
Er eignet sich nichts an.
Er hat keine one-night-stands mit der Absicht eines schnellen Vergnügens.
Es ist nur pure Neugier und dann mangelndes Interesse.
Manchmal nimmt er den Mund voller, als er kann.
Aber das ist Branden und wir sind ihm beide verfallen.
Ich bin nichts mehr ohne ihn. Kann mich nicht mehr an mein altes Ich erinnern.
Es gibt kein Leben vor Branden und keines nach ihm.
Er ahnt nicht, wie schwach ich geworden bin.
Für ihn bin ich stark, mit ihm seine zarte Muse.
Spoks ist der Mann fürs Grobe.
Ein anstrengender Tag ist die pure Erfüllung für mich.
Dann zerfließt er vor Selbstmitleid und ist weich wie Wachs in meinen Händen.
Sicher ist es egoistisch, ihn so für mich auszunutzen. Ich kann nur nicht anders.
Bin so süchtig nach seinem Duft, dem Geschmack und der Kühle…
Und ist er aufgeregt, verwirrt oder wütend, dann muss ich mir ein Buch nehmen und mich in mein Zimmer zurückziehen.
Ich weine oder zittere vor Erregung, wenn die Geräusche aus Spoks´ Zimmer zu mir herüber dringen.
Das ist der andere Branden.
Immer noch verletzlich und Rehäugig aber ein wenig masochistisch.
Einmal alles mit sich machen lassen!
Manchmal sehe ich am Morgen danach die Fesselspuren an seinen Handgelenken, die er vergeblich unter viel zu langen Ärmeln zu verstecken versucht.
Heißkalte Schauer überfallen mich, wenn ich mir vorstelle, wie er sich auf dem Laken umherwälzt, schweißnass, willenlos, dem anderen völlig ausgeliefert.
Ich hörte ihn schon schreien, dass es mich in die Kissen drückte.
Auch wenn ich es nie erleben werde, vielleicht auch nicht möchte, weil uns das auseinander brächte, erfüllt es mich zutiefst mit einer gehörigen Portion Lendenfiber, mir vor Augen zu führen, nur einmal diese Schreie für mich zu haben.
Aber ich tröste mich damit, dass Spoks niemals so viel Nähe und Sinnlichkeit erfahren wird, wie in den Stunden, da wir wie zwei übersinnliche Geschöpfe einander alles geben.
Mein süßer Prinz
Mein süßer Prinz, ohne dich bin ich nichts
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