Er lächelte, überrascht, nein, eher erleichtert über meinen Mut, und nickte. Er nickte ein bisschen z heftig und zeigte mir damit klar, wie sehr er darauf gewartet hatte. Wie sehr ich mit meinen Vermutungen Recht gehabt hatte. Wir verabredeten uns für den nächsten Abend, ein kleines Café in einer Seitenstraße, weit genug entfernt von der Universität, um uns wie Fremde in einer neuen Welt zu fühlen.
Das Café war warm und ein wenig zu eng, die Tische standen dicht beieinander, überall Stimmen und das Klirren von Gläsern. Wir bestellten Wein, und mit jedem Schluck fiel es uns leichter, zu reden. Erst vorsichtig, dann immer offener, sprachen wir über Bücher, über Paris, über das Gefühl, fremd zu sein. Unsere Schüchternheit wurde langsam zu einem Spiel, einem leisen Flirt, der in den Blicken lag, in den Pausen zwischen den Sätzen.
Irgendwann fragte er mich ganz unvermittelt: „Warum trägst du eigentlich immer Lippenstift?“ Er lächelte schüchtern. „Du wärst doch auch ohne so schön.“ Es war das erste Mal, dass mir jemand so etwas sagte – und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden, sie wohl erröteten, und musste lächeln. Es war mir unangenehm – und doch das schönste Kompliment, das ich mir damals hätte vorstellen können.
Die Zeit gemeinsam verging schneller, als es mir lieb war. Als wir uns verabschiedeten, weil das Café schloss, wagte niemand den ersten Schritt, aber wir versprachen uns, uns wiederzusehen. Beim Abschied umarmten wir uns. Es war eine zaghafte, fast unbeholfene Umarmung. Gleichzeitig erschien sie mir doch so unglaublich intensiv, dass ich noch lange danach das Gefühl seiner Hände um meine Schultern spürte. Seine zarten Hände, die nun auch mich gehalten hatten. Seine zarten Hände, die ich nun noch mehr als zuvor auf meiner nackten Haut fühlen wollte.
Das nächste Treffen kam – und schon von Beginn an lag eine Spannung in der Luft. Aber eine positive. Es gab keinen Zweifel mehr, dass etwas Unausgesprochen zwischen uns schwebte, das wir beide fühlten. Und das wir beide wollten. Wir saßen in einer kleinen Bar, das Licht war gedämpft, die Gespräche um uns herum verschwammen zu einem leisen Hintergrundrauschen, welches wir ausblendeten. Es gab nur noch uns. Schon bald berührten sich unsere Knie unter dem Tisch, erst zufällig, dann absichtlich. Dann immer öfters absichtlich und immer länger, bis sie sich gar nicht mehr trennten. Bis sie sanft gegen die Knie des anderen drückten und sich noch näher kamen, als sie es ohnehin schon waren.
Merci, Gabriel
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Merci, Gabriel
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