Am Morgen lag ein leises Licht im Zimmer. Wir standen auf, zogen uns schweigend an. Es gab keinen Versuch, die Zukunft zu besprechen, keine Versprechen, keine Bitten. Nur einen letzten Blick, ein Lächeln, ein leises „merci“, kein „au revoir“. Kein Abschied, kein Wiedersehen – nur Dankbarkeit.
Bevor Gabriel ging, nahm ich meinen Lippenstift vom Nachttisch, hielt ihn einen Moment in der Hand und spürte das Gewicht all der Erinnerungen, die daran hingen. Dann trat ich zu ihm, legte ihm mit einer kleinen, fast scheuen Geste den Lippenstift in die Hand.
„Für dich“, sagte ich leise. „Damit du dich erinnerst – nicht nur an mich, sondern auch daran, wie mutig wir beide waren.“
Er sah mich überrascht und gerührt an, schloss vorsichtig die Finger um das goldene Etui, als bewahrte er damit einen Schatz. In seinen Augen lag etwas Weiches, unausgesprochen und doch vollkommen gegenwärtig. Wir tauschten einen letzten Blick, in dem mehr lag als in jedem Wort.
Ich spürte, dass dieser kleine Gegenstand all das bewahrte, was zwischen uns gewesen war – Nähe, Mut, Heimlichkeit und Abschied. Nun lag er in seinen Händen – und das war gut so. Ich wusste, dass diese damit sorgsam umgehen würden.
Jetzt, Jahre später, stehe ich wieder in einer Parfümerie einer französischen Großstadt. Ich kaufe den Lippenstift, obwohl ich nicht weiß, ob ich ihn je wieder tragen werde. Er gehört zu mir, wie Gabriel zu meiner Geschichte gehört. Ich gehe in ein kleines Café, bestelle ein Glas Wein, wie damals, und lasse die Erinnerungen zu. Ich denke an diese Nacht, an das Gefühl von Sicherheit, an die Kraft, die ich damals zum ersten Mal gespürt habe.
Ich weiß bis heute nicht, was alles genau bedeutete – ob ich damals schon ahnte, dass ich mehr bin als das, was andere in mir sehen wollten. Ob Gabriel etwas geahnt hat, was ich selbst erst später begriff.
Aber ich will es gar nicht überanalysieren. Es war einfach zu schön, zu vollkommen, um es zerdenken zu wollen. Manche Nächte sind dafür gemacht, dass man sie einfach nur bewahrt – als Geheimnis, als Schatz. Und manchmal reicht das.
Merci, Gabriel
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Merci, Gabriel
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Bin sehr berührt!
schreibt Intimox