Während er sie nun auch versunken betrachtete und sie ihn immer noch ignorierte, ergriff die Wirtin die Initiative. Sie fragte ihn, was er wolle. Ein Bier, war die Antwort. Er trank immer nur Bier, wenn er in eine Wirtschaft ging, ohne die Absicht etwas zu essen. Selbst beim Besuch einer Nachtbar, so etwas Ähnliches war dieser Laden doch, machte er da keine Ausnahme. Aber solche Bars suchte er nur höchst selten auf. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal auf einem richtigen Barhocker in einer richtigen Bar im Rotlichtmilieu gesessen hatte. Wanda, eine blonde Polin aus Stettin und in den besten Jahren, stellte das Pils vor ihn hin und sagte dann zu der Mexikanerin: „Wach auf, Consuela! Kundschaft für dich.“ Er war über den Begriff Kundschaft etwas verwundert, denn im Moment fühlte er sich nicht als Kunde dieser Frau, sondern nur als Gast, der höchstens auf ein bisschen Unterhaltung hoffte. Consuela sah nun auf, sah ihn ernst an, allerdings ohne jedes Anzeichen des Erkennens und lächelte schließlich schüchtern, ein Lächeln, das er nicht erwartet hatte, weil ihre Augen dieselbe Traurigkeit ausstrahlten, wie vor ein paar Stunden, als sie noch im Eingang des Imperial gestanden hatte. Es hätte ihn viel weniger gewundert, wenn eine Frau wie sie, gleich in die Vollen gegangen wäre, die Gelegenheit zum Anbandeln sofort ausgenützt hätte. Aber nein, sie schaute ihn schüchtern an, wie ein Schulmädchen, und die Traurigkeit verlor sich auch nicht aus ihrem Blick und sie versank wieder umgehend in ihre Träume, so als ob die Störung gar nicht stattgefunden hätte. Stattdessen tauchte nun an seiner anderen Seite der Mann auf, der den Stuhl belegt hatte, ein junger, etwas verwirrt wirkender Ungar, der sich als Istvan vorstellte und ihn gleich anquatsche und sofort versuchte, ein Bier zu schnorren.
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