Genau an dem Tag, als er die Mexikanerin kennenlernte, hatte er ein Buch gekauft. Auf dem Umschlag war das Gesicht einer Frau abgebildet, in Schwarz-weiß und ziemlich dunkel, ohne viel Details, aber sehr ausdrucksstark. Das Gesicht einer reifen, exotischen Frau, ein Gesicht, das ein Geheimnis barg, über das man nachdenken und spekulieren konnte, ein Bild, wie es ihm gefiel. In dem Buch waren noch andere, sehr gute Bilder von Menschen in Mexiko, aber die Frau auf der Titelseite berührte ihn am meisten. Er musste immer wieder an das Bild denken, als er ziemlich ziellos durch die Straßen der Stadt streifte, auf der Suche nach Eindrücken, vielleicht auch nach Erlebnissen, die man nur in einer Großstadt finden kann. Was ist der Grund, warum man allein in eine fremde Stadt fährt, warum man eine anstrengende Reise auf sich nimmt und sich aus der Geborgenheit und Vertrautheit des komfortablen Alltags begibt, wenn nicht, um mit etwas Neuem, etwas selbst Erlebten nach Hause zurückzukehren. Von dieser kurzen Reise kehrte er mit viel mehr zurück, als er sich je hatte vorstellen können. Was in diesen wenigen Tagen geschah, war ein massiver Eingriff in sein Leben, eine Freisetzung von Gefühlen, die er kaum noch kannte, ein unvergessliches Erlebnis. Er musste sich, als er wieder klar denken konnte, gestehen, dass er sich verliebt hatte und dass die Liebe auch schon wieder zu Ende war.
Er hatte eine kurze Städtereise gebucht, nur ein paar Tage in einer sehr attraktiven Stadt, nur von Samstag bis Dienstag. Die Zeit würde genügen, um ein paar Museen abzuklappern, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten aufzusuchen, das Leben auf den Straßen zu beobachten und um eben diese Eindrücke zu sammeln und in Fotografien festzuhalten, auf die es ihm ankam. Die Museen waren großartig, die dort gezeigte Kunst überwältigend, die Sonderausstellungen zur Fotografie zweifellos eine Reise wert, aber irgendwann ist man zugedröhnt und vollgestopft und will dann nichts Neues mehr aufnehmen.
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