Der Laden sah immer noch gleich aus. Mia wusste, dass ihn Herr Roth noch halbtags führte. Er war über achtzig Jahre alt, schloss ihn dennoch jeden Tag auf. Mia hatte ein paar Mal mit ihm telefoniert, seit sie ihr Studium begann. Es tat immer gut, wenn sie die Stimme des lebenserfahrenen Mannes hörte. Sie freute sich, ihn wiederzusehen. Herr Roth stand vor seinem Tresen, als sie die altmodische Türglocke auslöste. Herr Roth sah immer noch gleich aus, war nur unmerklich älter geworden.
„Mia, ja ist das denn die Möglichkeit? Das ist aber schön, dass du mich besuchen kommst!“
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, umarmte den alten Herrn. Herr Roth hängte das Geschlossen-Schild vor den Laden, denn er sorgfältig abschloss. Er führte Mia in den bekannten Nebenraum, brühte für sie frischen Kaffee auf. Sie unterhielten sich eine Weile, plauderten über verschiedene Dinge. Mia erzählte von ihrem Studium, dass sie ihre Eltern besuchte und bei ihnen wohnte. Herrn Roth fiel auf, dass sie kein Wort über Bernd Kortner verlor. Er hatte von dem Bullen gehört, dass Mia in eine andere Stadt ziehen wollte, um dort ihr Studium aufzunehmen. Viel mehr wusste er nicht und er fand, dass ihn weitere Details auch nichts angingen. Daher fragte er nicht weiter bei Mia nach.
Unvermittelt wurde die junge Frau ernster. Herr Roth spürte, dass sie unter etwas litt. Er fragte sie:
„Was hast du denn, Mia? Wenn du magst, kannst du gerne darüber reden. Ich höre dir zu…“
Sie wischte sich eine Träne weg. Dann begann sie zu sprechen. Mias Stimme klang etwas bedrückt.
„Ach Herr Roth, mir fehlt irgendetwas. Ich bin so dumm, kann mich kaum auf mein Studium konzentrieren. Ich glaube, dass mir jemand fehlt, der mir wieder den Weg weist. Bernd ist der richtige Mann dafür. Ich will ihn wiedersehen, aber ich brauche zuvor ihre Hilfe. Es ist wichtig…“
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